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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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mir das Tier entkam, wenn ich die Schüssel anhob, holte ich ein dünnes Schneidbrett aus der Schublade vor mir und schob es vorsichtig unter die Schüssel. Eine Methode, die ich unzählige Male mit einem Glas und einem Blatt Papier angewandt hatte, wenn ich eine Spinne fangen und aus meinem Zimmer werfen wollte. Nur mit größeren Tierchen hatte ich das noch nicht versucht.
    Ich hörte ein Scharren, als meine Beute versuchte, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien. Das Vieh gab kleine Geräusche von sich, die nicht unbedingt nach dem Fiepen eines Nagers klangen. Schon eher nach einem Knurren. Oder Schimpfen. Vorsichtig hob ich das Brett samt der Schüssel an und drehte beides herum, um meinen Fang zu begutachten. Etwas kauerte am Boden der Schüssel und starrte mir feindselig entgegen.
    Keine Ratte.
    Auch sonst kein Tier, es sei denn, schottische Nager trugen Rollkragenpullover.
    Neugierig packte ich das Ding am Bein und hob es heraus.
    Das Wesen, das kopfüber in meiner Hand hing, war kaum größer als fünfzehn Zentimeter, hatte schütteres Haar, das mehr grau als schwarz war, einen buschigen Backenbart und ebenso buschige Augenbrauen. Es hatte tatsächlich einen dunkelblauen Strickpullover an, der sich über einen beträchtlichen Bauch spannte. Dazu eine blaue Hose, die in der Taille von etwas, das verdächtig nach einer Paketschnur aussah, zusammengehalten wurde. Ein Fuß steckte in einer Socke, der große Zeh blitzte durch ein Loch heraus, der andere Fuß war nackt– und ebenso behaart wie sein Bauch.
    Obwohl er noch immer kopfüber hing, sah er mir direkt in die Augen. »H ey, Babe.«
    Vor Schreck hätte ich ihn um ein Haar fallen gelassen. Wobei ich mir nicht sicher war, was mich mehr erschreckte, dass dieses… Wesen meine Sprache sprach, oder dass es mich Babe nannte. Immerhin machte es keinen sonderlich gefährlichen Eindruck.
    »W as bist du? Ein Feenwesen?«
    Das Ding in meiner Hand schnaubte. »S cheiß ich etwa Glitzerstaub?«
    Ich kniff die Augen zusammen. Nein, Feen galten als hübsch und zierlich. Das war dieser Kerl definitiv nicht. Schon eher der schlecht gelaunte Zwerg aus Schneewittchen.
    »D u hast echt keine Ahnung, oder? Ich bin ein Kobold.«
    »S olltest du dann nicht am Ende eines Regenbogens sitzen und einen Topf mit Gold bewachen?«
    »K obold! Kein Leprechaun. Sehe ich aus, als käme ich aus Irland? Außerdem, wer sagt denn, dass ich keinen Goldtopf bewache, du dummes Ding?«
    »F ür mich sieht es eher aus, als hättest du versucht, dich zu verstecken.« Ich hob ihn auf Augenhöhe, um ihn genauer betrachten zu können. Er hatte eine üble Fahne. »K ann es vielleicht sein, dass du gerade ein Schnapsglas klauen wolltest? Und du hast wohl nicht zufällig ein paar Chips gefuttert, oder?«
    »W as, ich? Niemals!« Sein Blick wanderte über das Spülbecken. »D u bist ganz schön unordentlich. Die dreckigen Gläser. So ein Saustall… Also echt, Babe, wer soll denn so eine wie dich mal heiraten?«
    Ein netter Ablenkungsversuch.
    Er hatte nur Gläser gesehen? Nicht das Geschirr, das sich hier aufgetürmt hatte, bevor Derek und ich gestern klar Schiff gemacht hatten? Das bedeutete, dass er erst danach hier aufgeschlagen war. Vermutlich, nachdem ich im Keller gewesen war. Um ein Haar hätte ich erleichtert aufgelacht, als mir bewusst wurde, dass er das Wesen sein musste, das Cale gestern gespürt hatte. So wie er redete, würden die Trinklieder durchaus zu ihm passen. »D ie Schachtel«, sagte ich halb zu ihm, halb zu mir selbst. »I ch habe sie umgestoßen und dich dabei befreit. Das war eine Auslieferungskiste, oder?«
    Er schnaubte. »E ine dreckige Falle! Ein koboldunwürdiges Gefängnis!«
    »H ast du einen Namen?«
    »E s fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, während mir das ganze Blut in den Kopf läuft und mein Hirn langsam zerquetscht.«
    »E ntschuldige.« Vorsichtig drehte ich ihn herum und setzte ihn auf der Arbeitsfläche ab. »I ch bin Serena. Und wie heißt du?«
    »G eht dich nichts an.«
    »W eißt du, du solltest wirklich ein wenig kooperativer sein. Immerhin gibt es da unten eine hübsche kleine Box, die auf dich wartet.«
    Als ich die Hand nach ihm ausstreckte, wich er langsam zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. »D rizzle Ebb«, fauchte er, kurz bevor ich ihn packen konnte. »M eine Name ist Drizzle Ebb.« Beinahe trotzig fügte er hinzu: »D er Dritte.«
    Ich ließ die Hand sinken. »D er Dritte?«
    Er zuckte die Schultern. »M eine Familie ist

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