Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
am Zusammenbrechen war. Drizzle kam über die Schreibtischplatte näher und musterte mich.
    Hörst du mich? Cale wirkte irritiert.
    Seine Stimme klang weit entfernt, trotzdem konnte ich ihn gut genug verstehen. Doch ich war entschlossen, ihn zu ignorieren, bis ich wusste, wie ich mit dem umgehen sollte, was ich über ihn herausgefunden hatte. Statt zu antworten, hob ich das Buch auf und legte es auf den Schreibtisch.
    Du bist wütend. Warum? Was ist passiert?
    Wut war nicht das richtige Wort. Ich war enttäuscht und verletzt. Und ich hatte Angst. Ein Jenseitswesen war das eine, aber ein Dämon… jeder hatte mich bisher vor diesen Kreaturen gewarnt. Das waren keine Wesen, die man zum Freund haben sollte. Oder wollte. »V erschwinde!«
    »B ist du noch ganz dicht?!«, rief Drizzle.
    »D ich meine ich doch gar nicht.«
    Einen Moment lang schwieg Cale, ich spürte seine Überraschung so deutlich, als könnte ich sein verdutztes Gesicht sehen. Nicht, solange ich nicht weiß, was los ist. Es hat etwas mit mir zu tun, das spüre ich.
    Ich atmete tief durch, versuchte mich zu beruhigen, dann konnte ich nicht länger an mich halten. »D u hast mir verschwiegen, dass du ein Dämon bist!«
    In Drizzles Zügen zeigte sich so etwas wie Begreifen. Er drückte die Zigarre im Aschenbecher aus, sprang vom Schreibtisch und marschierte aus dem Zimmer.
    Was? Aber ich habe dir doch gesagt, dass ich ein Geistwandler bin. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: Ich dachte, du wüsstest, was das bedeutet.
    »I ch hatte keine Ahnung vom Jenseits!« Ich wusste selbst jetzt noch kaum etwas darüber. »W oher hätte ich das bitte wissen sollen? Du hättest es mir sagen müssen!«
    Entschuldige, dass ich im Augenblick andere Probleme habe, als mir den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Informationen du haben könntest und welche nicht.
    »W oher soll ich jetzt noch wissen, ob ich dir überhaupt vertrauen kann?« Himmel, der Kerl hatte mir als Kind schon kein Glück gebracht. Was, wenn die Dinge dieses Mal noch schlimmer enden würden? Schlimmer, als in einer Anstalt. »D u kannst meinen Geist manipulieren! Ich weiß nicht einmal mehr, ob es meine Idee war oder deine, dass ich hierher gekommen bin. Vielleicht hast du mich ja dazu gezwungen.«
    Das ist doch lächerlich.
    »I st es das?«
    Hast du dir etwa keine Sorgen um deinen Vater und deinen Bruder gemacht? Wolltest du keine Antworten von ihnen auf all deine Fragen über das Jenseits?
    »V ielleicht wollte ich das nicht aus eigenem Antrieb heraus.«
    Cale seufzte. Serena, ich sitze in einer verdammten Kiste, deren Wände mit Silber ausgeschlagen sind. Selbst in Freiheit brauche ich Blickkontakt, um jemandem meinen Willen aufzuzwingen. Jetzt bin ich nicht einmal in der Lage, zu jemand anderem als dir Kontakt aufzunehmen.
    »W arum klappt es bei mir?«
    Ich weiß es nicht.
    Er wusste es sehr genau, das spürte ich.
    Vielleicht liegt es daran, dass wir schon früher Kontakt miteinander hatten und mir die Struktur deines Geistes immer noch so vertraut ist, dass ich sie leichter erreichen kann als jeden anderen. Vielleicht auch, weil du die Einzige diesseits der Grenze bist, deren Geist ich überhaupt kenne.
    Abgesehen davon, dass mein Geist wohl kaum mehr dem des fünfjährigen Mädchens von damals entsprach, war deutlich herauszuhören, dass er mir nicht alles sagte. Trotzdem berührten die Hilflosigkeit und Resignation, die ich aus seiner Stimme heraushörte, etwas in mir. Er saß in einer Kiste fest. Einsam. In der Dunkelheit. Ohne Nahrung, Licht und frische Luft. Natürlich hatte er andere Sorgen, als mir bis ins letzte Detail zu berichten, was er war und über welche Fähigkeiten er verfügte. Ich wusste nicht, was es war, das er für sich behielt, aber dass er mich wegen des Silbers nicht manipulieren konnte, glaubte ich ihm, denn Gus hatte mir dasselbe über die Wirkung von Silber gesagt.
    Schlagartig war meine Wut verraucht. »E s tut mir leid«, sagte ich leise. »H ältst du noch durch?«
    Es fällt mir schwerer, den Kontakt zu dir aufrechtzuerhalten – und das, obwohl du so nah bist.
    »W ie lange noch?«
    Einen Tag. Vielleicht zwei.
    Ich schluckte. »U nd dann?«
    Dann erlischt meine Lebensenergie. Das Silber verhindert, dass ich sie aufladen kann. Du musst mich finden. Bevor es zu spät ist.
    Er war nicht mehr zu hören und ich blieb allein zurück.
    Dämon hin oder her, ich konnte ihn nicht sterben lassen. Der bloße Gedanke, ihn zu verlieren, schnürte mir die Kehle zu. Ich

Weitere Kostenlose Bücher