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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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musste etwas tun. Sofort. Entschlossen lief ich nach oben in mein Zimmer und holte mein Handy und den Elektroschocker. Drizzle schlitterte neben mir auf dem Treppengeländer herunter, als ich wieder nach unten ging.
    »D u hast einen Geistwandler in deinem Kopf«, stelle er fest. »D agegen solltest du unbedingt was unternehmen.«
    »W oher willst du das wissen?«, hakte ich nach, obwohl er dabei gewesen war, als ich vorhin mit Cale gesprochen hatte.
    »E ntweder ist es ein Geistwandler oder du führst Selbstgespräche. Wogegen du im Übrigen auch etwas tun solltest.« Wir waren am Ende des Geländers angekommen und er stieg auf meinen Arm um. »D ie Leute könnten dich sonst für merkwürdig halten.«
    »F ür verrückt.«
    »A nders.«
    Ich setzte ihn auf dem Küchentisch ab und verließ das Haus. Draußen schien die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel. Sobald ich das Cottage und Drizzle hinter mir ließ, wurde mir bewusst, dass die Wärme aus dem Anhänger wich. Vermutlich war das auch gestern der Fall gewesen, als ich zum Einkaufen gefahren war, nur, dass ich nicht darauf geachtet hatte.
    Ich folgte einem kleinen Trampelpfad hinter das Haus und zur Küste in Richtung des Loch Carron, wie Cale es mir am Tag meiner Ankunft beschrieben hatte. Das hohe Gras war noch feucht und die Erde vom Regen der letzten Nacht aufgeweicht, doch das störte mich wesentlich weniger als die winzigen Mücken, die mich zu Tausenden umschwirrten und beinahe genauso oft stachen. Während ich an der Küste entlangmarschierte, wedelte ich ständig mit den Händen vor mir herum, erschlug eine Mücke nach der anderen und verfluchte mich dafür, nur ein ärmelloses Top zu tragen. Das Rauschen des Meeres wurde von dem ständigen Klatschen begleitet, mit dem ich die Mücken erlegte.
    Schließlich erreichte ich die Flussmündung, von der Cale gesprochen hatte, und folgte ihr landeinwärts. Der Fluss war vielleicht sechs Meter breit und floss schnell dahin. Nach einer Weile vernahm ich das entfernte Donnern eines Wasserfalls. Wo bis eben noch wild wucherndes Gras, Ginsterbüsche und rostrotes Heidekraut das Ufer und die angrenzenden Wiesen überzogen hatten, wurde der Uferbewuchs jetzt dünner, bis er schließlich nur noch aus moosbedeckten Felsen und Erde bestand. Ich folgte dem Pfad einen Hügel hinauf und dann sah ich ihn. Der Wasserfall tauchte so unvermittelt vor mir auf, als hätte ihn jemand mithilfe von Magie erscheinen lassen. Eine vier oder fünf Meter breite Wasserkaskade stürzte sich aus zehn Metern Höhe herab, sammelte sich am Fuß des Felsens in einem See, aus dessen Ende der Fluss entsprang, dem ich gefolgt war.
    Das Land war hügelig, nirgendwo war ein Haus oder auch nur eine asphaltierte Straße zu sehen. Zu meiner Rechten glaubte ich, einen Feldweg mit Reifenspuren auszumachen, was eigentlich nur logisch war, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass Dad seine Auslieferungskisten den unebenen Weg entlangschleppen würde, den ich gekommen war. In der Ferne grasten ein paar Schafe, so weit weg, dass ich sie lediglich als helle Punkte auf dem Gras erkannte.
    » Cale? Kannst du mich hören?«
    Eine Antwort erklang in meinem Kopf, ein undeutliches Murmeln, das beinahe vollständig im Rauschen des Wasserfalls unterging.
    »W as?« Obwohl er vermutlich keine Probleme haben würde, mich zu hören, schrie ich gegen den Lärm an. »I ch kann dich kaum verstehen!«
    Am Wasserfall ist eine Höhle. Dieses Mal war er besser zu hören.
    »I ch sehe mich mal um.«
    Das Wasser fiel über die Kante eines gewaltigen Felsens, der zu beiden Seiten des Wasserfalls fast senkrecht verlief. Keine Klettermöglichkeiten, keine Höhle, soweit ich es erkennen konnte. Auch unten, wo der Felsen in Erdreich überging, konnte ich nichts erkennen. Dort lagen einige Steine am Ufer, aber keiner war groß genug, dass sich ein Tor oder eine Kiste dahinter hätte verstecken könnte. Ich ging zu der Stelle, an der die Reifenspuren endeten. Welchen Weg nahmen Dad und Trick von hier? Ein Pfad war auf dem steinigen Untergrund nicht zu erkennen. Aber viele Möglichkeiten gab es nicht. Im Schatten der Felswand wagte ich mich vor bis zum Ufer. Tatsächlich führte ein etwa eineinhalb Meter breiter Vorsprung zwischen Felswand und Fluss auf den Wasserfall zu. Das musste es sein. Die Höhle musste sich unmittelbar dahinter befinden. Nur, dass es nicht danach aussah, als könnte ich trocken hinter den Wasservorhang gelangen.
    Ich nahm es in Kauf, immerhin war es ein

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