Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
viel zu schreiben, denn ihr wisst selbst am besten, weshalb ich diesen Schritt gehe. Das Einzige, was ich noch loswerden möchte, ist die Bitte, dass ihr alles Erdenkliche für Carolin, meine geliebte Tochter, tut, damit sie ein gutes Leben hat.«
Winkelmann legte den Brief beiseite und schüttelte den Kopf. »Das hat doch nicht mein Sohn geschrieben«, brach es aus ihm heraus. »Niemals!«
»Aber es ist seine Schrift, nicht wahr?«, fragte Bettina. »Wir haben sie mit anderen Schriftstücken abgeglichen, die er in seinem Portemonnaie bei sich trug. Obwohl er sehr unsauber geschrieben hat, glauben wir, dass die Schriften übereinstimmen.«
»Das kann ich so nicht sagen«, entgegnete Claus Winkelmann gereizt. »Bernhard hätte seiner Familie so etwas niemals angetan.«
»Natürlich hätte er das«, warf Martina Winkelmann ein.
Jan war überrascht. Mit einer derartigen Reaktion von Bernhards Schwester hatte er nicht gerechnet. »Wie darf ich das verstehen?«, fragte er.
»So wie ich es gesagt habe. Mein Bruder war schon immer selbstzerstörerisch veranlagt. Ich glaube, alle hier am Tisch können das bestätigen, oder?«
»Du bist doch vollkommen übergeschnappt!«, rief Dagmar Winkelmann plötzlich aufgebracht. »Wenn jemand Bernhard auf dem Gewissen hat, dann ja wohl ihr beiden!«
»Einen Moment bitte!«, ging Jan dazwischen. »Der Reihe nach. Weshalb glauben Sie, dass sich Ihr Bruder umgebra…?«
»Mir reicht es«, unterbrach ihn Claus Winkelmann erschöpft. Der alte Mann stand auf und begann im Raum auf und ab zu gehen. Trotz seines krummen Rückens waren seine Bewegungen kraftvoll und stolz.
Plötzlich öffnete sich die große Flügeltür, durch die Jan und Bettina vorhin eingetreten waren, und ein modisch gekleidetes Mädchen kam herein.
»Carolin, geh zurück auf dein Zimmer!« Dagmar Winkelmann sprang von ihrem Stuhl auf und ging auf ihre Tochter zu, die mit Tränen in den Augen am gegenüberliegenden Ende des Tisches stehen geblieben war. »Ich habe dir doch gesagt, dass wir hier etwas zu besprechen haben.«
»Papa ist tot«, sagte Carolin mit leerem Blick. »Versteht ihr das denn nicht? Er ist tot …« Ihre Stimme brach, ehe sie sich noch einmal fing und Luft holte. »Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich will wissen, was mit Papa tatsächlich passiert ist.«
Jan musterte das Mädchen mit den langen braunen Haaren. Er hatte in den Unterlagen gelesen, dass Carolin Winkelmann fünfzehn Jahre alt war. So wie sie gerade vor ihnen stand, machte sie auf ihn allerdings eher den Eindruck, als sei sie bereits volljährig. Ihre dunkel geschminkten Augen, der rote Lippenstift und das figurbetonte schwarze Kleid ließen sie fraulich erscheinen. Doch all dies konnte nicht verbergen, dass sie um ihren toten Vater trauerte, wie es ein Kind tat.
»Keine Widerrede«, blieb Dagmar Winkelmann hart. »Geh auf dein Zimmer. Ich erzähle dir später, was es an Neuigkeiten gibt.«
»Lass sie doch hier«, mischte sich Martina ein. »Sie hat ein Recht darauf, zu erfahren, dass sich ihr Vater umgebracht hat.«
Dagmar warf Martina einen galligen Blick zu. Es schien beinahe so, als wolle sie auf ihre Schwägerin losgehen.
»Ist das wirklich wahr?«, fragte Carolin mit brüchiger Stimme. »Hat Papa sich umgebracht?«
»Nein, mein Kind«, beschwichtigte Dagmar sie. »Ich bin mir sicher, dass es ein Unfall war.«
»Was zu klären wäre«, murmelte Jan, dem die Situation allmählich zu entgleiten drohte. Vielleicht war es besser, die Familie im Moment allein zu lassen und sich mit jedem einzelnen Mitglied unter vier Augen zu unterhalten. Dass es tiefer gehende Spannungen zwischen den Anwesenden gab, war jedenfalls offensichtlich.
Bevor er Bettina ein Zeichen zum Aufbruch geben würde, wollte er jedoch noch ein anderes Thema ansprechen. Das, weshalb er ursprünglich mit Bernhard Winkelmann hatte reden wollen, als er am Sonntagnachmittag im Stadion seinen Besuch angekündigt hatte.
»Am Samstagabend gab es einen tödlichen Zwischenfall auf dem Herforder Hoeker-Fest«, begann er. »Sie haben sicherlich davon gehört. Wir können nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht ausschließen, dass es sich um einen Anschlag gegen Ihre Brauerei gehandelt hat.«
»Das waren bestimmt die Erpresser«, entfuhr es Carolin.
»Carolin! Was erzählst du denn da?« Claus und Dagmar Winkelmann sahen Carolin fassungslos an.
»Welche Erpresser?«, fragte Jan eilig und ging auf Bernhard Winkelmanns Tochter zu. Aber statt eine Antwort zu
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