Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
Vielleicht Bernhards Schwester Martina. Sie war die Marketingchefin der Brauerei und gleichzeitig Mitglied der Geschäftsführung. Und dann gab es noch Frank-Walter, den Jüngsten, verantwortlich für die Kundenbetreuung und das Eventmanagement. Laut Mareike war er etwas seltsam. Sie vermutete, dass er Autist war.
Bettina stellte den Wagen vor einem großen stählernen Tor ab. Sie blickte Jan mit einer ungewohnt nervösen Miene an. Jan spürte, dass ihr etwas auf dem Herzen lag.
»Du bist der erste Kollege, dem ich das jetzt anvertraue«, sagte sie schließlich mit gedämpfter Stimme.
»Was meinst du?«, fragte Jan.
»Meine Eltern leben auf einem ähnlichen Anwesen im Münsterland. Ich bin hinter Toren, Zäunen und Mauern groß geworden.«
»Du?«, fragte Jan überrascht. »Ich meine, du siehst …«
»Wie müssen reiche Menschen denn deiner Meinung nach aussehen?«, unterbrach sie ihn rüde. »Entspreche ich etwa nicht dem Klischee?«
»Ehrlich gesagt, nein. Du siehst nicht danach aus, als hätten dich deine Eltern in Monte Carlo in Gucci- und Prada-Läden geschleift.«
»Falsch gedacht, es war zwar nicht Monte Carlo, sondern Marbella und St. Moritz, aber das mit Gucci und Co. stimmt tatsächlich. Es war schrecklich.«
»Ich dachte immer, Mädchen träumen davon, wie eine Prinzessin zu leben.«
»Vielleicht war ich kein normales Mädchen«, antwortete Bettina nachdenklich. »Ich musste jedenfalls raus aus dieser oberflächlichen Welt, in der nur die größere Yacht, die Anzahl der Bediensteten und die nächste Charity-Veranstaltung zählen. Meine Eltern haben die Krise gekriegt.«
»Hast du dich mit ihnen überworfen?«
»Nachdem ich ihnen gesagt habe, dass ich zur Polizei gehe, hat es zwei Jahre gedauert, ehe sie wieder mit mir gesprochen haben. Mittlerweile ist es etwas besser, aber ich weiß, dass sie es mir nie verziehen haben, aus ihrer Welt ausgebrochen zu sein.«
»Dann geht’s dir ja ein bisschen wie mir«, murmelte Jan kaum verständlich. »Lass uns reingehen, ich will wissen, was hinter diesem Tor tatsächlich vor sich geht.«
Sie stiegen aus, und Jan drückte auf die Klingel, die in die seitliche Mauerbegrenzung eingelassen war. Er blickte in die schwenkbare Kamera darüber, erklärte ihr Anliegen und wartete, bis sich das Tor langsam und lautlos öffnete. Dann betraten sie das Grundstück.
Eine junge Frau Mitte zwanzig empfing sie an der wuchtigen hölzernen Eingangstür und geleitete sie ins Innere der Villa, die vor mehr als dreihundert Jahren im Barockstil erbaut worden war. Die Eingangshalle wirkte kühl, beinahe puristisch. Marmorböden, sandfarben gestrichene Wände mit dezenten Stuckverzierungen und ein klassischer, übergroßer Kronleuchter, der an der Decke der Halle prangte, prägten das Bild.
»Warten Sie bitte einen Augenblick, ich werde Herrn Winkelmann Bescheid geben«, sagte die ganz in Schwarz gekleidete Frau förmlich. Ihre blonden Haare trug sie zu einem strengen Knoten aufgesteckt.
»So bist du aufgewachsen?«, fragte Jan leise, als das Dienstmädchen in einem angrenzenden Raum verschwunden war.
»Schlimmer«, antwortete Bettina. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie bedrückend es ist, wenn man vierundzwanzig Stunden am Tag von Bediensteten und Sicherheitskräften umgeben ist.«
»Darf ich fragen, wie deine Eltern zu ihrem Vermögen gekommen sind?«
»Mein Papa besitzt eine der bekanntesten Anwaltskanzleien Deutschlands. Er war in einige spektakuläre Prozesse involviert. Jetzt begleitet er vor allem größere Wirtschaftsprozesse. Sein Vermögen hat er allerdings geerbt, mein Großvater war nach dem Krieg ein erfolgreicher Unternehmer. Stahlerzeugnisse.«
»Verstehe«, sagte Jan. »Ich glaube, ich kann ein wenig nachvollziehen, wie du …«
Die Tür, hinter der das Dienstmädchen verschwunden war, wurde plötzlich geöffnet, und ein ergrauter Mann in gebückter Haltung trat auf sie zu.
»Um es vorwegzunehmen«, sagte er ohne Begrüßung, »ich wünschte, Sie hätten noch ein paar Tage mit Ihrem Besuch gewartet. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie wir uns fühlen.«
»Wir versuchen es zumindest«, antwortete Jan zurückhaltend. »Wir möchten Ihnen unser Beileid aussprechen, Herr Winkelmann.« Er streckte dem Senior, den er sofort erkannt hatte, die Hand hin.
»Weshalb sind Sie hier?« Claus Winkelmann sah Jan skeptisch an. »Bernhards Tod war doch ein Unfall, wie kommt es, dass die Mordkommission ermittelt?«
»Unser Kommissariat ist nicht nur
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