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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wechajew von seinem Teller auf. Es gab Kohlrouladen, Kartoffeln und Preiselbeerkompott. Curlis setzte sich, nachdem er stramm gegrüßt hatte. »Kommt Sliwka auch?« fragte der General.
    »Er fummelt an seinem Wagen herum und flucht fürchterlich.«
    »Er hat wirklich einen neuen Wagen nötig. Aber in Semipalatinsk bekommen sie keinen. Vielleicht wird es besser, wenn die Abrüstung weitergeht. Dann werden Armeefahrzeuge frei. Haben Sie eine Spur von den Nomaden, diesen Banditen, gesehen?«
    »Nichts. Es war zu dunkel. Aber wir wollen morgen wieder zum See. Im weichen Waldboden bleiben Hufabdrücke länger erhalten.« Curlis blickte hinüber zu seinem General. »Hat man schon Nachricht aus Ust-Kamenogorsk?«
    »Frantzenow ist versorgt, die Kugel ist raus aus dem Oberschenkel.« Der Chefarzt, der mit am Tisch saß, machte ein ernstes Gesicht. »Weberowsky wird noch operiert. Es sieht schlecht aus.«
    »Wird er durchkommen?«
    »Das weiß Gott.«
    Am Morgen kehrte die Kompanie, die Wechajew in die Berge geschickt hatte, um die Nomaden aufzuspüren, müde nach Kirenskija zurück. Am Anfang der Kolonne fuhr ein Unteroffizier Sliwkas Jeep, seine Leiche lag, mit einer Plane zugedeckt, auf dem Rücksitz. Die Dosen China-Bier, die man aus dem Wasser, unter Sliwkas Körper hervorholte, hatte der Kompaniechef, Oberleutnant Wychristjuk, ausgetrunken, um seine Erschütterung und sein Entsetzen zu verbergen.
    Lange stand General Wechajew dann vor dem Toten. Man hatte ihn im Kasino aufgebahrt, in einem einfachen Sarg aus Buchenholz, bedeckt mit der Fahne des neuen Rußland. Ein großer Strauß Blumen aus den künstlich bewässerten Gärten der Stadt stand in einem Plastikeimer hinter Sliwkas Kopf. Den runden Einschuß in seiner Stirn hatte der Chefarzt der Stadtklinik mit einem Pflaster überklebt.
    Wechajew war allein, er hatte das so gewünscht. Was er in diesen Minuten dachte, war nur zu ahnen. Zwei Schwerverletzte und ein Toter – das bedeutete, daß aus Alma-Ata und sicherlich auch aus Moskau eine Untersuchungskommission der Generalstäbe nach Kirenskija kommen würde, um festzustellen, welche Zustände in diesem Gebiet von Kasachstan herrschten. Verantwortlich war er als Kommandant der Armeegruppe, die für die Sicherheit der Wissenschaftler zu sorgen hatte. In den Augen des Moskauer Oberkommandierenden hatte er versagt. Man würde keine Argumente gelten lassen, keine Erklärungen, keine Entschuldigungen. Ein Versager in der Armee, auch noch im Range eines Generals, hatte die Konsequenzen zu ziehen. Wechajew, zieh deine Uniform aus, versteck dich in deiner Datscha und züchte Tomaten. Oder laß dich versetzen als Militärattaché in eine lausige Botschaft in Afrika oder Asien, etwa nach Kirabati, wo du unter Palmen liegen und dösen kannst und keinen Unfug mehr anrichtest.
    Fast eine halbe Stunde blieb Wechajew mit dem toten Sliwka allein. Als er aus dem Kasino herauskam und wieder hinter seinem Schreibtisch in der Kommandantur saß, hatte er sich verändert. Seine sprichwörtliche Fröhlichkeit war wie weggeblasen, sein altersloses Gesicht mit den jungenhaften Augen hatte alle Lebensfreude verloren.
    »In einer Viertelstunde alle Offiziere zu mir!« befahl er knapp mittels der Sprechanlage, die alle Räume verband. »Die Truppe zum Abmarsch antreten lassen.«
    Fünfzehn Minuten später standen die Offiziere in einer Reihe vor General Wechajew. Auf dem Kasernenhof traten die Kompanien an, feldmarschmäßig ausgerüstet, als ginge es zum Kriegseinsatz. Die Kommandos schallten bis in Wechajews Zimmer.
    »Meine Herren«, sagte Wechajew mit bewegungsloser Miene und erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Hinter ihm hing eine große Karte des Gebietes zwischen der chinesischen Grenze und Ust-Kamenogorsk. »Sie sind unterrichtet, was vorgefallen ist.« Er drehte sich um, umkreiste mit der Hand die Karte und wandte sich dann wieder seinen Offizieren zu. »Die ganze Garnison rückt aus und durchkämmt das gesamte Gebiet.« Und dann, mit harter Stimme: »Wenn Sie auf herumstreifende Nomaden treffen, das Feuer eröffnen! Gnadenlos! Keine Gefangenen, keine Verhöre … schießen! Jeder ist schuldig. Ich erwarte von Ihnen die Erfolgsmeldung, daß mein Gebiet frei ist von diesen Banditen! Ich danke, meine Herren. Lassen Sie abrücken.«
    Betroffen verließen die Offiziere den Raum. Sie waren stumm vor Entsetzen. Nur ein Hauptmann sagte draußen auf dem Flur mit erstickter Stimme:
    »Wie kann er das verantworten?! Ich möchte nicht in

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