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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlucken kann.«
    »Ein Stück Fleisch und Knochen ohne Funktionen.« Nurgai wischte sich über die Augen. Seine Erschütterung war grenzenlos. »Wäre … wäre es da nicht besser, Sie würden alle Maschinen, an denen er hängt, abstellen? Es wäre eine Gnade für ihn.«
    »Das können weder Sie noch ich verantworten, Kusma Borisowitsch. Das müßte seine Familie entscheiden. Und auch dann wüßte ich nicht, ob ich es täte. Gerade bei Querschnittgelähmten gibt es kleine Wunder, vor denen wir Mediziner sprachlos stehen. Da versagt alles empirische Wissen. Wir haben Fälle gehabt, wo wir sagten: Der wird bis zu seinem Lebensende flach auf dem Rücken liegen müssen, und auf einmal sitzt er im Rollstuhl! Sterbehilfe aus Mitleid ist eine verteufelte Sache.«
    »Kann man ihn besuchen?« fragte Nurgai.
    »Frantzenow natürlich. Weberowsky können Sie nur durch eine Glasscheibe sehen. Er ist nicht ansprechbar. Wir mußten ihm gegen die Schmerzen starke Mittel geben. Er liegt in einer Art Dämmerschlaf.«
    »Kann ich morgen kommen?«
    »Jederzeit.«
    »Hat man Weberowskys Angehörige benachrichtigt?«
    »Woher denn? Er hat keine Papiere bei sich. Wir wissen gar nicht, woher er kommt.«
    »Professor Frantzenow weiß es. Er ist doch sein Schwager.«
    »Das können wir ja nicht riechen.« Der Chefchirurg war ungehalten. Unberechtigte Vorwürfe erzeugten bei ihm eine besondere Aggressivität, die sich in Grobheit ausdrückte. »Frantzenow steht noch unter Schock und spricht zur Zeit kein Wort. Er steht offensichtlich unter Alkoholeinfluß. Muß der gesoffen haben!«
    »Mindestens 750 Gramm.«
    »Du meine Güte. Dann hat er von dem Schuß ja kaum etwas gemerkt.«
    »Ein amerikanischer Offizier hat ihm nach der Verletzung den Wodka gegeben, zur Schmerzbetäubung.«
    »Wieso? Haben Sie Amerikaner bei sich?«
    »Eine Abrüstungskommission, die der Vernichtung der Atomsprengköpfe zusieht.«
    »Dann sind Sie doppelt und dreifach bestraft, Kusma Borisowitsch. Ich verzeihe Ihnen, daß Sie mich vorhin angeranzt haben. Amerikaner in Kirenskija – wo sind wir hingekommen! Wir verschenken unsere Ehre.«
    Nurgai gab darauf keine Antwort, sondern beendete das Gespräch mit einem knappen: »Bis morgen!«
    Es wird nicht überall Beifall für die Reformen geben, dachte er. Die alte Nomenklatura lebt noch, sie hat nur die Köpfe eingezogen, wartet ab und arbeitet im stillen. Auch wenn die Neuen sie überall auswechseln gegen die Reformanhänger, es wird lange dauern, bis das Sowjetdenken aus den Köpfen verschwunden ist. Man kann ein Riesenreich wie Rußland nicht im Handumdrehen verändern.
    Im Gästehaus der Stadt saßen Curlis und Major Campell vor dem Fernsehapparat und sahen das Programm an, das Radio Alma-Ata sendete. Impressionen aus Kasachstan: schmucke Dörfer, wogende, goldene Kornfelder, Vogelschwärme über tiefblauen Seen, Adler in den Bergmassiven. Volkstänze fröhlicher Menschen in alten Trachten, Reiterspiele, die majestätische Stille der endlosen Steppe, Industriebauten modernster Art, eine Talsperre, Segelflieger, Märkte voll von wimmelndem, buntem Leben, Kinder, die Ringelreihen tanzten und dabei sangen – eine wunderschöne, heile Welt.
    Die Trauerfeier war vorbei, Curlis und Campell hatten die Galauniformen ausgezogen und saßen in Hose und Unterhemd in den Sesseln. Curlis hatte auf einem Handtuch seine Pistole liegen und reinigte sie. Vor allem den Lauf putzte er vom Schmauch frei und ölte ihn gründlich. Von innen sah er aus wie neu. Ungebraucht.
    »Warum hast du das getan?« fragte Campell plötzlich.
    Curlis blickte erstaunt auf. »Was?«
    »Du hast doch Sliwka erschossen.«
    »Jimmy, du spinnst.«
    »Unterschätze unsere Gastgeber bloß nicht. Der Militärarzt hat festgestellt, daß Sliwka durch ein 9-mm-Geschoß getötet wurde. Er hat ihm die Kugel aus dem Kopf herausoperiert.«
    »Panikmache! Bis auf den Einschuß war Sliwkas Kopf unversehrt.«
    »Du hast ihn nicht von hinten gesehen. Er hat unterhalb des Scheitels den Kopf aufgesägt und die Kugel aus dem Hirn geholt. Sie liegt jetzt bei General Wechajew in einem Reagenzglas auf dem Tisch.«
    »Ein eindrucksvoller Tischschmuck.«
    »Vor allem, wenn man bedenkt, was festgestellt wurde: Solche Munition wird in Rußland nicht hergestellt. Es ist ein Fremdfabrikat.«
    »Interessant.« Curlis legte die Pistole zur Seite. »Wer weiß, woher die Nomaden ihre Waffen beziehen.«
    »Du hast zum Beispiel eine 9-mm-Smith & Wesson.«
    »Du auch, Jimmy.«
    »Aber ich war

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