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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich sage schon jetzt: Es kommt nichts dabei heraus. Der Richter wird Ihnen vorhalten, seine Zeit zu stehlen.« Kiwrin erhob sich und gab sich sehr würdevoll. »Die Sitzung ist beendet!«
    Die Beljakowa hörte schlagartig mit Heulen auf, sprang vom Stuhl und stützte sich auf der Schreibtischkante auf. »War das alles?« schrie sie Kiwrin an.
    »Ja.«
    »Scheißbeamte!« sagte sie, spuckte auf den Tisch und verließ den Raum.
    Zirupa folgte ihr, drehte sich aber an der Tür noch um und zischte: »So einfach ist das nicht, Michail Sergejewitsch. Das war erst der Anfang, es wird noch mehr folgen.«
    Dann schlug er hinter sich die Tür zu, und Weberowsky und Kiwrin waren allein.
    »Er meint es ernst.« Kiwrin griff in die Schublade seines Schreibtischs, holte eine Flasche Wodka hervor, zwei Gläser und eine Schachtel Papyrossi, goß jedes Glas vier Zentimeter voll und schob es zu Weberowsky hin. »Was wären wir ohne diesen Tröster! Wolfgang Antonowitsch, du kennst meine Einstellung. Ein guter Freund bin ich dir immer gewesen, aber ich werde dich nicht schützen können, wenn man die Kasachen weiter aufhetzt. Die Stimmung gegen euch ist schlecht, ich gebe es zu. Nur ist nicht jeder so brutal wie die Beljakowa. Alles wandelt sich. Die Kasachen sind gegen die Russen, jetzt brechen alte Feindschaften wieder hervor, und alle sind gegen euch Rußlanddeutsche, weil Stalin euch hierher abgeschoben hat und ihr die schönsten Dörfer habt, Kulturzentren, deutsche Schulen, deutsche Theatervereine … alles und immer deutsch! Habt ihr nie darüber nachgedacht, daß ein Russe oder ein stolzer Kasache euch deshalb immer als Fremde betrachtet? Seit mehr als zweihundert Jahren lebt ihr in Rußland, aber Deutsche wollt ihr bleiben.«
    »Wir waren immer friedlich und arbeitsam. Wir sind nie jemandem zur Last gefallen. Wir haben nur nicht vergessen, woher unsere Vorväter kamen.«
    »Und das ist fast schon eine Beleidigung Rußlands. Ihr habt hier eine neue Heimat bekommen. Seit Generationen sind eure Töchter und Söhne hier geboren worden, von Amts wegen sind sie Russen, aber was sind sie im Herzen?«
    »Die Liebe zu unserem Mutterland ist vererbbar«, antwortete Weberowsky. »Warum wundert gerade ihr Russen euch darüber? Was ist ein Russe ohne sein Mütterchen Rußland? Wo er in der Fremde auch ist, und was aus seinem Leben auch geworden ist, ob Arbeiter in einer Fabrik oder Millionär – er hat Heimweh, ein innerlich trauriger Mensch ist er, wenn er an Rußland denkt. Ein Zuhause hat er, aber er wird sich nie zu Hause fühlen. Warum sollen wir anders sein als ihr Russen?«
    »Kennst du Deutschland?«
    »Nein.«
    »Wart ihr auch stolze Deutsche, als Hitler die halbe Welt verwüstete? Als er unser Land überfiel und unsere Väter und Söhne tötete?«
    »Wir haben unter dieser finsteren Zeit genug gelitten. Aber jetzt gibt es ein freies, demokratisches, weltoffenes Deutschland, so wie wir es uns immer gewünscht haben. Und in dieses neue Deutschland wollen wir zurück …«
    »Und ihr glaubt, man empfängt euch dort mit ausgebreiteten Armen?« Kiwrin blätterte in einem Packen Fernschreiben, der auf seinem Tisch lag. »Die Schwierigkeiten beginnen schon. Anträge zur Ausreise und Übersiedlung sind nicht von uns zu bekommen …«
    Weberowsky setzte sich erregt auf. Gleich brüllt er wieder, dachte Kiwrin. Eigentlich sollte man Mitleid mit ihm haben.
    »Und wo bekomme ich die Anträge?«
    »Bei der deutschen Botschaft in Moskau.«
    »Ich muß für ein Stück Papier nach Moskau fliegen?« Weberowskys Gesicht rötete sich gefährlich. Er begriff nicht, daß die deutsche Bürokratie die Rückführung der Rußlanddeutschen in ihre unbestechliche Hand genommen hatte.
    »Oder zum deutschen Generalkonsulat in Alma-Ata. Und zwar jede Familie einzeln.« Kiwrin grinste verhalten. »Jetzt mahlen die Mühlen der Beamten.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn!« Weberowsky fuhr vom Stuhl hoch. »Ich kann nicht mit einer Liste und den Unterschriften der Bewohner von Nowo Grodnow Anträge für alle abholen?«
    »Nein. Jeder einzeln. Fragebögen gibt es, die man ausfüllen muß.«
    »Und wie lange soll das dauern, bis die Flut der Anträge von den Behörden bearbeitet ist?«
    »Das mußt du Bonn fragen, Wolfgang Antonowitsch. Begreifst du nicht die Taktik? Dein so freies Deutschland will euch gar nicht haben. Ihr sollt hier bleiben oder zurück an die Wolga ziehen, aber nicht ins Ruhrgebiet oder nach Mecklenburg-Vorpommern. Da ist alles besetzt. Es leben

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