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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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außerordentlichen Kongresses der Rußlanddeutschen. Er leitet auch die Organisation ›Wiedergeburt‹ und ist über alles informiert. Er hat direkte Verbindungen zu den maßgebenden deutschen Behörden.«
    »Und wie willst du nach Ust-Kamenogorsk kommen?«
    »Mit dem Zug von Karaganda über Semipalatinsk.«
    »Dann bist du mehrere Tage nicht hier …«
    »Es ist notwendig, Erna. Was Kiwrin mir erzählte, kann ich einfach nicht glauben.«
    »Was hat er erzählt?«
    »Die deutsche Regierung soll gar nicht begeistert von unserer Rückkehr sein, erzählt er. Besser wär' es hierzubleiben. Hier wüßten wir, wie unser Leben weitergeht. In Deutschland wüßten wir es nicht. Keiner gäbe uns eine Garantie für Arbeit und Wohnung, in Sammellager kämen wir. Verteilt werden wir unter eine satte Gesellschaft, die wir nur stören.«
    »Kiwrin steigt in meiner Achtung. Er ist doch ein kluger Mensch!« sagte Gottlieb, und es war wie ein Fausthieb in Weberowskys Magen.
    »Bei manchen mag das sein, aber nicht bei uns.« Erna wischte sich mit der Schürze über ihr Gesicht. Es war eine Angewohnheit von ihr, bei irgendwelchen Aufregungen sich über das Gesicht zu wischen und die Schürze dazu zu nehmen. Und eine Schürze trug sie vom Morgen bis zum Abend.
    »Wieso sind wir eine Ausnahme?« fragte Gottlieb.
    »Wir haben ein Zuhause in Deutschland.«
    »Und wo soll das sein?«
    »In Bonn. Ich habe einen Neffen in Bonn, das wißt ihr doch. Karl Köllner, der Sohn meiner Schwester. Er hat eine gute Stellung im Außenministerium. Es wird uns helfen.«
    »So, so!« meinte Gottlieb ironisch. »Weiß er von seinem Glück?«
    »Ich habe ihm vorige Woche geschrieben. Er ist ein guter Junge.« Sie blickte hinüber zu Wolfgang, der mit verdüsterter Miene auf der Eckbank saß. »Wir haben ein Ziel, Wolferl. Das mußt du der Organisation in Ust-Kamenogorsk sagen. Vielleicht kommen wir dann schneller nach Deutschland. Ein Neffe im Außenministerium ist eine gute Empfehlung.«
    »Ich will sehen, wie das überhaupt läuft mit der Aussiedlung.« Weberowsky erhob sich ächzend. Sein Rücken schmerzte. Die Hin- und Rückfahrt nach Atbasar auf dem harten Sitz des Traktors steckte noch in seinen Knochen. »Ob es wahr ist, daß wir nach Alma-Ata oder Moskau müssen, jede Familie einzeln. Und daß es da einen Fragebogen gibt voller verfänglicher Fragen und versteckter Fallen, und wehe, zwei Antworten widersprechen sich.«
    »So wird es sein.« Gottlieb ging zur Tür, er hatte noch eine Verabredung mit Natalja Alexandrowna, seiner heimlichen Geliebten. »Es wird schwer werden, den deutschen Behörden zu beweisen, daß ihr Deutsche seid.«
    »Du bist auch ein Deutscher.«
    »Nein, ich denke und fühle russisch.«
    »Aber du sprichst deutsch.«
    »Das werde ich vergessen, wenn man mich fragen sollte.«
    »Verdammt, du bist mein Sohn!« schrie Weberowsky. »Und dein Vater ist ein Deutscher.«
    »Es kommt nicht darauf an, wie man geboren wurde, sondern was man aus seinem Leben macht. Ich werde ein russischer Arzt, kein deutscher.«
    »Wenn du überhaupt etwas wirst, werde ich mich mit kaltem Wasser begießen. Dann weiß ich, daß ich nicht träume.«
    Wortlos verließ Gottlieb das Haus. Erst draußen, am Zaun des Vorgartens, sagte er laut: »Du wirst dich wundern, Alter! Du träumst wirklich.«
    Plötzlich war Kirenskija eine offene Stadt geworden … eines der größten Geheimnisse der Sowjetunion war zur Besichtigung freigegeben.
    In Moskau zerstritten sich Generalität und Politbüro. Die Weitsichtigen lobten die konsequente Durchführung von Glasnost und Perestroika und begrüßten den sowjetisch-amerikanischen Kontrollaustausch zur Vernichtung der Atomraketen und Einstellung von Versuchszündungen neuer Atomwaffen. Die kleine Gruppe der Nationaltreuen, wie sie sich nannte, faßte sich an den Kopf und war sich einig, daß Gorbatschow seine Reformen zu weit treibe, daß er über jedes vernünftige Maß hinaus dem Westen Zugeständnisse mache, die Rußlands Stärke schwächten und den Anspruch auf eine mitbestimmende Weltmacht verwässerten. »Das geht zu weit –«, sagte in diesen Tagen ein General im vertrauten Kreis. »Wenn man Michail Sergejewitsch jetzt nicht bremst, entsteht für die Sowjetunion ein Schaden, der kaum noch zu reparieren ist. Oder glaubt ihr, Genossen, der Amerikaner ist so dumm und gibt alle seine geheimen Forschungsstellen preis? Glaubt ihr, er vernichtet wirklich alle seine Mittelstreckenraketen? Warum sagt man Gorbatschow nicht:

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