Westwind aus Kasachstan
gut.«
Der erste Rundgang der amerikanischen Offiziere erreichte auch das Gebäude Nr. 1. Nurgai, der die Delegation herumführte, erklärte, daß in diesem Haus die Nuklearforschung ihre Labors habe, die er selbst leite. Der junge Captain blätterte in einer dicken Akte und schien Informationen nachzulesen, die der CIA ihnen herausgegeben hatte. Nach diesen Spionageberichten war Kirenskija durchaus keine unbekannte Stadt mehr, nur über das, was im einzelnen dort geschah, war man bis heute auf Vermutungen angewiesen.
Die Führung war schnell beendet. Nurgai berichtete von einem neuen Treibsatz für Satellitenraketen und Raumstationen, aber das war nichts Neues, die Amerikaner kannten ihn schon. Der General ließ das diskret durchblicken. Nurgai biß die Zähne aufeinander bei dem Gedanken, daß es doch eine undichte Stelle in dieser bisher nicht existenten Stadt gegeben hatte und noch gab. Unter den sorgsam ausgesuchten und immer wieder kontrollierten Mitarbeitern gab es also einen Maulwurf, dem es gelungen war, Geheimmaterial hinauszuschaffen. Er beschloß, diese Erkenntnis nicht nach Moskau weiterzugeben. Wer legt schon freiwillig seinen Kopf in die Schlinge? Einen schlafenden Hund soll man nie aufschrecken. Denn wachte Moskau auf, war der Schuldige allein Nurgai. Er war verantwortlich für alles, was im Forschungszentrum Kirenskija geschah.
Auch Professor Frantzenow wurde kurz vorgestellt. Widerwillig drückte er die Hände der amerikanischen Offiziere, aber er blieb zurückhaltend und gab auf gezielte Fragen nur allgemeine, nichtige Antworten.
Der junge Captain blieb, als die Delegation weiterging, neben Frantzenow stehen, blätterte wieder in seinen Papieren, sah den Forscher durchdringend an und sagte dann in einem perfekten, akzentlosen Russisch:
»Kann ich Sie später sprechen, Herr Professor?«
Frantzenow spürte, wie eine große innere Spannung in ihm aufstieg. Nurgai hat richtig vorausgesehen … jetzt kommen die Angebote. Du wirst dich wundern, mein Junge. Ein Russe wie ich ist nicht käuflich. Bei euch mag der Dollar eine eigene Gottheit sein, mich interessiert er nicht. »Das ist möglich«, sagte er kühl.
»Und wo?«
»In meiner Wohnung. Straße Nummer 12. Es wird für Sie nicht schwer sein, sie zu finden. Sie sprechen ja ein fabelhaftes Russisch.«
»Meine Mutter ist Russin. In Leningrad, Pardon, es heißt ja jetzt wieder St. Petersburg, geboren. Mein Vater war dort Vizekonsul. Damals mußte meine Mutter drei Jahre warten, bis sie ausreisen und heiraten durfte. Ihr gesamtes Vermögen wurde dabei beschlagnahmt, die Bahnhofswache des KGB nahm ihr den ganzen Schmuck ab.«
»Ja … damals …« Frantzenow blickte an dem jungen Captain vorbei. »Das war, wenn ich Ihr Alter schätze, unter Breschnew-Zeiten.«
»Sie schätzen gut, Herr Professor.« Der Captain sah Frantzenow wieder forschend an. »Wann ist es Ihnen recht?«
»Was?«
»Unser Gespräch.«
»Heute abend um acht?«
»Ich werde pünktlich sein.« Er zögerte und schämte sich sichtlich, aber er mußte es fragen. »Werde ich keine Schwierigkeiten haben, zu Ihnen zu kommen?«
»Jetzt nicht mehr. Noch vorgestern hätte man Sie ohne Schild mit Foto und Kennziffer am Revers festgenommen und möglicherweise sogar erschossen. Wir hatten hier unsere eigenen Bräuche und Gesetze.«
»Das ist bekannt. Und Sie waren glücklich mit diesem Leben?«
»Ich bin es noch.« Frantzenow lächelte, aber es war ein kaltes, abweisendes Lächeln. »Mit wem spreche ich?«
»Oh! Verzeihung. Ich hatte es vergessen. Mein Name ist Tony Curlis. Captain Curlis.«
»Ich erwarte Sie also um zwanzig Uhr, Mr. Curlis.« Jetzt sprach Frantzenow in einem etwas hart klingenden Englisch. »Sie trinken doch Wein?«
»Ab und zu. Einen Whiskey haben Sie wohl nicht im Haus.«
»Nein.«
»Ich bringe einen mit. Einen echten Kentucky.« Curlis grüßte höflich. »Bis nachher, Herr Professor.«
Die Zeit bis zum Abend verbrachte Frantzenow in seiner Wohnung in tiefem Nachdenken darüber, was er Curlis entgegnen würde, wenn dieser ihm ein Angebot machte, in die USA zu kommen. Was mögen sie bieten? dachte er.
10.000 Dollar oder mehr im Monat? Ein Haus mit allem Komfort? Einen großen Wagen, in dem man saß wie in einem Polstersessel? 10.000 Dollar und ein Haus – das war zu wenig. Dafür bekommt man keinen Frantzenow. Ich bin gespannt, wie hoch sie gehen werden, wieviel ich ihnen wert bin. Wenn jemand die geheimsten Pläne kennt, bin ich es. Glaubt ihr wirklich, ich
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