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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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taumelte in die Dusche. Er stand unter dem Wasserstrahl und spürte, wie das Wasser seinen Kopf traf und in sein Haar eindrang. Er packte brutal sein Haar und wusch und schrubbte es so heftig, wie er konnte, als ob er dadurch seinen Schädel, aber auch das Innere seines Kopfes von den Gedanken darin befreien könnte.
    In der Küche kritzelte seine Mutter etwas in ein Notizbuch auf der Anrichte, und sein Vater verspeiste seine Schale Haferbrei wie jeden Morgen. Als Dave Mathieson zu ihm sagte: »Wie läuft’s, Kumpel?«, warf Derric seiner Mutter einen Blick zu und begriff, dass sie ihn nicht verraten hatte. Er antwortete: »Ganz gut«, und als Dave sagte: »Du bist ziemlich spät nach Hause gekommen. Das darf nicht noch mal vorkommen, wenn du Schule hast, okay?«, erwiderte er: »Das wird es nicht. Tut mir leid. Ich hätte anrufen sollen oder so. Ich war noch mit Courtney zusammen, nachdem die Bibelstunde vorbei war.«
    Dave kicherte. »Na, das hört man auch nicht alle Tage.« Er löffelte den Rest seines Haferbreis auf, brachte die Schüssel zur Spüle und ließ Wasser darüber laufen. Dann ging er aus dem Haus, nachdem er Rhonda einen Kuss gegeben und Derric kurz umarmt hatte. Danach waren Derric und seine Mutter allein.
    Sie drängte ihn immer noch nicht. Erst als er mit dem Frühstück fertig war - Cornflakes, Orangensaft und Toast -, wandte sie sich von der Anrichte ab, auf der sie geschrieben hatte, und sagte: »Scheint so, als hättest du gestern Nacht etwas über dich selbst herausgefunden.«
    »Kann sein.«
    »Das muss nichts Schlechtes sein, weißt du?«
    »Es fühlt sich aber so an.«
    »Das glaube ich dir«, sagte sie. »Aber so ist das, wenn man erwachsen wird. Da muss man so Einiges durchstehen. Und das ist niemals angenehm.«
    »Das ist aber jetzt nicht die Du-wirst-jetzt-erwachsen-Predigt, oder?«, fragte er genervt.
    »Was soll das denn heißen?«
    »Du weißt schon. >Mein kleiner Junge wird erwachsen.<«
    Sie lächelte, obwohl sie traurig wirkte. Sie sagte: »Echt? Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich dachte eher an das innere Wachstum, wenn du weißt, was ich meine. Wenn das Herz wächst. Und die Seele. Wie immer du es nennen willst. Das ist schwer. Aber es geht auch wieder vorbei.«
    »Das Problem ist, dass ich nicht mal weiß, was es genau ist.«
    »Ja. Das gehört zum Wachsen dazu«, erklärte sie ihm.
    Das kam ihm irgendwie komisch vor. Nachdem sie ihm nicht enden wollende Vorträge über sicheren Sex, Geschlechtskrankheiten und ungewollte Schwangerschaften gehalten hatte und darüber, wie man sich schon als Jugendlicher das Leben versauen konnte, wurde ihm klar, dass sie genau wusste, dass er sich jetzt mit den Folgen auseinandersetzte. Aber zuerst musste er sie verstehen. Dann erst konnte er etwas daran ändern, wie er zu ihnen stand.
    Es war total verrückt. Er fand, dass es eher Courtney hätte sein müssen, die von ihrem Gewissen geplagt und gleichzeitig von Lust verzehrt wurde, die hin- und hergerissen sein müsste, ohne zu wissen, warum. Schließlich war sie es gewesen, die Keuschheit gelobt hatte. Doch sie schien völlig unbeschwert und glücklich zu sein und schrieb einmal pro Stunde eine SMS mit Ich LI 1 IEEEBE dich! oder formte die Worte mit den Lippen über den Flur hinweg, wenn sie sich auf dem Weg in ihre jeweiligen Klassenzimmer von Weitem sahen.
    Er konnte sie einfach nicht verstehen. Aber das größere Problem war, dass er sich selbst nicht verstand. Er musste unbedingt dahinterkommen. Er brauchte Zeit, um sich damit zu befassen, was da in seinem Innern an ihm nagte.
    An diesem Tag beantwortete er drei ihrer Ich-LIIIEEEBE-dich- Nachrichten nicht. Deshalb wunderte es ihn nicht, dass sie nach der Jazzbandprobe auf ihn wartete.
    Sie saß auf dem Boden im Flur, hatte ihre schlanken Beine vor sich ausgestreckt, lehnte mit dem Rücken an der Wand und hatte ein offenes Schulbuch auf dem Schoß liegen. Als er aus dem Proberaum kam, stand sie auf. Sie sah gut aus, wie immer.
    Sie fragte: »Hast du dein Handy heute nicht dabei? Ich hab dir ganz viele SMS geschrieben.« Dabei klang sie ein wenig nervös.
    Er sagte. »Doch. Die hab ich bekommen. Tut mir leid. Ich dachte bloß ...« Er zuckte mit den Schultern. »Hey, du kennst doch meine Gefühle für dich.«
    Da kamen die anderen Bandmitglieder aus dem Proberaum. Ein paar sahen zu Courtney herüber und grüßten sie. Einige der Jungs lachten über etwas und einer sagte: »Und ob. Volle Kanne.« Da sah Courtney von ihnen zu ihm, und ihr

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