When the Music's Over
Atems, irgendwo tropfte Wasser, und dann war da noch ein lautes, hämmerndes Klopfen. Erstarrt blieb er stehen. War die Miliz mit schwerem Gerät angerückt und grub sich ihren Weg durch die Tunnel? Doch es war nur das Pochen seines Herzens. Wiesel kicherte nervös. Weit war es mit ihm gekommen, wenn er sich schon vor seinem eigenen Schatten fürchtete. Bewusst fester auftretend, ging er weiter und sang aus voller Kehle einen Song seiner Lieblingsband – »Running Nowhere«.
»No love to give,
Since you’ve left me behind.
No worlds to share.
Searchin’ and dreaming
And running nowhere.«
Leichtsinnig und albern, genau, das war er, dachte Wiesel und verstummte abrupt. Doch da war nur das bekannte Plätschern, Rascheln und Quieken. Leise ging er weiter. Er musste jetzt unmittelbar vor der Pladelu-Station sein. Konnte er es wagen, hier nach oben zu gehen? Besser nicht. Er schaltete kurz die Taschenlampe an, um sich umzusehen – Sunshine hatte ihm eingeschärft, sparsam mit der Batterie zu sein –, und tastete sich dann wieder im Dunkeln voran. In seinem Kopf sang er den Runners-Song weiter. Er hatte erfahren, dass er die Band nur um wenige Tage verpasst hatte. Sie waren in einem Club in der Stadt aufgetreten und, nachdem es gewaltigen Ärger mit ein paar Neo-Punks gegeben hatte, spurlos verschwunden. Irgendwie fand er es beruhigend, dass selbst jemand wie Blue nicht gegen die Seltsamkeiten des Universums gefeit war. Wiesel wiederholte den Satz laut, er hatte ihn einmal vom Raben gehört. »Was bedeutet das?«, hatte er gefragt. Der Rabe, der zu den raren Exemplaren gehörte, die Fragen beantworteten, sagte: »Es heißt, dass du dich nirgends verstecken kannst, wenn es Scheiße regnet.« Wiesel, der genau wusste, wovon der Rabe sprach, hatte zustimmend genickt.
Im Morgengrauen wurden sie von Sunshine geweckt. Faizul schrak hoch, als sich ihr eine Hand auf den Mund legte. Sunshine legte den Finger an die Lippen und bedeutete ihr, still zu sein. Faizul nickte, die Augen weit aufgerissen und hellwach. Die Hand wurde weggenommen.
Die anderen waren bereits wach. Die Tunnel-Soldaten machten sich abmarschbereit. Brad und Ali versuchten den Com-Link zu installieren, und dann war da noch das Mädchen aus Spitzbergen mit dem vorlauten Jungen. Anscheinend hatte sie einige Entscheidungen verschlafen. Sie ging zu Brad und Ali.
»Habt ihr die Daten von letzter Nacht schon überspielt?«, flüsterte sie.
Ali schüttelte den Kopf. »Wir werden von irgendwas abgeblockt. Die Trägerwelle bricht immer zusammen, kurz nachdem wie sie initiiert haben.«
»Vielleicht die Tunnelwände?«, mutmaßte Faizul.
»Das haben wir alles schon durchgerechnet. Es muss was anderes sein.« Brad zuckte ratlos mit den Schultern
»Was gibt’s?« Sunshine deutete auf die Com-Link-Anlage. »Könnt ihr die Daten nicht rausschicken?«
Er erklärte ihr das Problem.
»Wir verschwinden sofort«, beschied Sunshine daraufhin. »Ich habe kein gutes Gefühl.«
»Ich könnte noch mal das –« Ali wollte eine neue Frequenz suchen.
»Nichts da. Sofort einpacken.« Sie drehte sich zu Skadi um. »Seid ihr dabei?«
»Wir kommen mit. Ob wir dabei sind, entscheiden wir später.«
Sie waren noch keine hundert Meter gegangen, als sie es hörten: Männer, viele Männer, kamen ihnen aus der Richtung der alten U-Bahnstation entgegen. Die Miliz hatte ihren Fluchtweg gefunden.
Sunshine signalisierte »sofort umkehren«. Nur Skadi war nahe genug, um die Besorgnis in ihrem Gesicht zu erkennen.
»Was können sie tun?«, fragte sie. »Haben sie Suchhunde?«
»Was für Hunde?« Sunshine starrte sie perplex an.
»Schon gut, vergiss es. Können sie uns hier drinnen entdecken?«
»Infrarot. Sie haben Infrarotdetektoren. Aber ob sie die dabei haben …« Sunshine zuckte die Schultern. »Sie werden wohl einfach Gas einleiten. Ist sicherer und geht schneller.«
Sie sprach mit einem Gleichmut, den sie nicht empfand. Doch was konnten sie schon tun, als immer weiter in die Tunnel einzudringen? Nachdem sie an zwei Abzweigungen vorbeigekommen und die dritte einige hundert Meter hineingegangen waren, ließ Sunshine die Gruppe anhalten. Sie konnten es einfach nicht riskieren, noch weiter in die Tunnel vorzudringen, da sie ohne Bingo nicht mehr herausfinden würden.
»Du«, sie zeigte auf Käppi, »und Jamila, ihr geht bis zur letzten Abzweigung. Sobald ihr was hört, sagt ihr Bescheid, alles klar?« Sie klatschten hoch-fünf ab.
»Wie lange wollen wir hier
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