When the Music's Over
Westpier. Pierce vermisste den kleinen Gauner irgendwie.
»Ich geh jetzt wohl besser.« Unschlüssig federte Jason auf seinen Fußballen. »Die rothaarige Schlampe ist wohl noch nicht abgereist?« Das klang gleichzeitig boshaft, hoffnungsvoll und resigniert.
»Kahia geht es gut, danke«, sagte Pierce amüsiert.
»Na, dann.« Wie immer kündigte Jason seinen Aufbruch an, um sich dann begeistert auf ein neues Thema zu werfen. »Wann fährst du wieder raus?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Du hast sicher schon von dem Festival gehört –«
»Wer nicht?« Pierce gähnte und raffte sich dann zu einem halbwegs höflichen »Warum fragst du?« auf.
»Vielleicht solltest du mal mit dem Alten reden. Kann sein, dass er einen Job für dich hat.«
Bei Pierce schrillten sämtliche Alarmglocken. Was konnte der alte Sakamoto von ihm wollen? Reichte es nicht, dass dieses Miststück von Nichte die Runners abgeschossen hatte? Oh ja, Pierce hatte schon bald herausgefunden, wer Tonia Sakamoto war. Und er wünschte, er wäre damals in der Bar wenigstens genauso zugedröhnt gewesen wie sie. Dann hätte er ihr vermutlich mit Freuden den Hals umgedreht.
»… für die Stage-Show.«
»Was?«
»Du hast mir überhaupt nicht zugehört.« Jason sah ihn vorwurfsvoll an.
»Und wenn schon –« Pierce trat an das Geländer seiner Veranda und pisste ins Wasser.
»Der alte Mann hat sich in den Kopf gesetzt, die Leopards, von denen du mal erzählt hast, hochzuholen, und …«, Jason bemühte sich tapfer, das laute Plätschern zu ignorieren, »da dachte ich, dass du …«
»Den Reichen soll man ihre Launen lassen, sofern sie bereit sind, einen anständigen Preis dafür zu zahlen. Das war schon immer meine Devise.« Pierce wechselte fließend von gelangweilter Arsch zu Geschäftsmann. »Was will Sakamoto denn für die Panzer abdrücken?«
»Er will die Dinger, alles klar?«
»Alles klar.« Pierce klatschte mit ihm hoch-fünf ab.
»Ich geh dann mal …«
»Schätze, ich komme in den nächsten Tagen mal vorbei.«
Pierce drehte sich um und ging über die Laufplanke zu seinem Boot. Er wollte ganz in Ruhe durchrechnen, wie viel er dem Alten für die verrotteten Panzer abnehmen konnte. Wenn alles gut lief, würde ihn dieses Geschäft über den Winter bringen. Zwar gab es auf Freezone keine Jahreszeiten, aber Pierce dachte gerne in stehenden Begriffen. Wenn nur endlich diese Stimme in seinem Kopf verstummen würde, dann wäre alles bestens – die Stimme seines kleinen Bruders, der seine Schulden einforderte.
In der toten Stadt
»Wo sind wir hier?« Skadi leuchtete mit ihrer Sturmlampe gekachelte Wände ab.
»Hier, hier steht’s.« Aufgeregt deutete Garfield auf ein weißes Schild mit schwarzer Schrift. Er wischte den Dreck ab und las laut vor: »Platz der Luftbrücke.«
»Wir können genauso gut bis morgen früh hier bleiben«, entschied Skadi. Sie fegte einige zerknüllte Zeitungen und Blechdosen von einer Bank und rollte ihren Schlafsack aus.
Garfield, der fand, dass er einiges wieder gutzumachen hatte, suchte Holz für ein Feuer zusammen. Auf sein Abendessen würde er wohl heute verzichten müssen. Dabei knurrte sein Magen unüberhörbar. Er fragte sich, was es wohl in »Hardy’s Gasthaus« gegeben hätte. Kohlsuppe, versuchte er sich zu trösten.
Doch Skadi hatte ein Herz. Als das Feuer richtig brannte, machte sie eine von ihren Spezialsuppen. Was bedeutete: Alles, was ihr unter die Hände kam, ob Gemüse- und Fleischkonserven oder Dauerbrot, landete in einem Topf und wurde gut durchgekocht. So hatte es schon ihre Großmutter gehalten. Dabei konnte es allerdings schon mal passieren, dass sie bei der Bestimmung des Inhaltes Obst und Gemüse durcheinander brachte. Aber was konnte man von einer ’skimo-Tussi schon anderes erwarten, dachte Garfield, der sich mittlerweile an das manchmal seltsame Aroma von Skadis Eintöpfen gewöhnt hatte.
Dann, gesättigt und müde von den Aufregungen des vergangenen Tages, rollte sich Garfield unter seinen Decken zusammen.
»Meinst du, wir sind hier sicher?«, fragte er noch.
»So sicher wie überall«, lautete Skadis Antwort. Womit sie gleichzeitig Recht und Unrecht haben sollte.
Sunshine schaffte es, die Gruppe zusammenzuhalten, bis sie den Eingang zur Pladelu-Station erreicht hatten. »Jetzt nur noch überleben«, das war alles, woran sie dachte. Zeit zum Trauern würde es später geben. Dreisatz und Bingo waren tot, und Danuta, die immer fröhliche Danuta, war so schwer verletzt, dass sie
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