Whiskey für alle
weiß gekalkte Kuhstall und das Wohnhaus. Davor war das Hoftor mit den fünf Querstangen. Wie immer verschnauften wir dort erst einmal und genossen den Blick auf das so gepriesene Wiesenstück. Es war in der Tat etwas ganz Besonderes, wirkte wie ein Wohnzimmer mit einem Teppich, der grüner war als alles andere in der Nachbarschaft ringsum. Es war mit saftigem Klee und wilden Wicken bewachsen, war schlechthin ein Weideland, das der Herrgott so hatte gedeihen lassen, um eine Entschädigung zu bieten für all die anderen morastigen Flächen ringsum. Es war von Weidegründen umgeben, die weit magerer waren, und nahm daher eine Sonderstellung ein. Es erinnerte an die herrlichen Ländereien, die man vom Fenster aus erblickt, wenn sich der Zug Dublin nähert. Ich habe mich oft gefragt, was so ein Stück Grünland inmitten all des Soandersartigen zu suchen hat.
Der Name »Weide an der Schanze« ging auf ein altes Bollwerk zurück, das ganz hinten auf dem Grundstück mit der Spitze zur Wiese hin stand. In der Gegend gab es mehrere solcher altertümlichen Schanzen, aber keine hatte das gewisse Etwas wie diese hier.
Dieses Stück Weideland war bis auf den letzten Quadratzentimeter vermessen worden und demzufolge 5866 Quadratmeter groß, umfasste also, grob gesagt, zwei Morgen beziehungsweise ergab ein mittleres Fußballfeld. Man muss nicht betonen, dass es eine Sonderbehandlung erfuhr. Mehr Karrenladungen Dung wurden darauf ausgestreut als auf andere Weideflächen, auch erhielt es jährliche Zuteilungen an Düngekalk. Nur das Allerbeste kam in Frage. Es war das best entwässerte Grundstück der ganzen Farm, in meinen Augen ein Vorzeigeobjekt.
Obwohl wir uns eigentlich beeilen wollten, blieben wir eine Weile am Gatter stehen. Mir war klar, worum es ihm ging. Ich wusste, er würde erst weitergehen, wenn ich geredet hatte. Also kletterte ich auf einen der Torpfeiler aus Beton und setzte die Bewunderungsmiene auf.
»Ein prachtvolles Stück Land«, sagte ich anerkennend.
Er schwieg, aber an seinen gleichmäßigen Atemzügen merkte ich, er hatte das Lob wahrgenommen.
»Ein Weideland wie dieses kannst du von Portmagee bis Trabert Island suchen«, fuhr ich fort, »du wirst kein besseres finden.«
Stumm tätschelte er einer Kuh den Rücken. Es lag ihm daran, so etwas wie Bescheidenheit an den Tag zu legen, und daher tat er immer so, als ob er sich aus dem Lob anderer nichts machte.
»Auf so einer Wiese dürfte eigentlich nur ein Rennpferd grasen«, meinte ich noch.
Dann sprach erstmals er. »Schlecht ist sie nicht«, räumte er ein. »Zumindest nicht die Schlechteste.«
Obwohl die Zeit drängte, zeigte er keine Neigung, sich weiterzubewegen. Ich musste auf ein Ende zusteuern, sonst würden wir das Fußballspiel verpassen. Ich zermarterte mir den Kopf. Wie sollte ich mich noch steigern? Aber genau das erwartete er. Ungeduldig tippte er mit einem Fuß auf den Boden.
»Es ist ein Stück Land, für das es sich zu kämpfen lohnt«, fiel mir plötzlich ein. Ich erinnerte mich an die Redewendung aus einem Schullesebuch.
»Das ist gut«, sagte er und wiederholte meinen Satz Wort für Wort. »Ein Stück Land, für das es sich zu kämpfen lohnt. Das klingt wirklich gut.« Wir gingen weiter, und er holte einen Shilling aus der Tasche und gab ihn mir. Der Shilling stand mir sowieso zu, aber dass ich ihn so schnell bekam, damit hatte ich nicht gerechnet. Nachdem wir die Kühe gemolken hatten, gab es noch eine Überraschung. Diesmal für die Kühe. Anstatt sie auf die Koppel am Bach zu treiben, sollte ich sie auf die Wiese vor der Schanze lassen. Natürlich waren sie dankbar dafür, denn sobald ich das Gatter öffnete, trotteten sie an mir vorbei, muhten fröhlich und reckten die Schwänze hoch.
Nach dem Ende des Fußballspiels in Castle-Island verfügten wir uns in einen Pub. Die Leute vom Lande blieben in jenen Tagen immer dem Ladenbesitzer treu, der aus ihrer heimatlichen Umgebung stammte. Wenn also der Sohn eines Landwirts ein Geschäft in der nahegelegenen Stadt eröffnete, konnte er sicher sein, dass die Leute, die aus seinem engeren Umkreis kamen, bei ihm kauften.
Männer, die hinter der Theke im Wirtshaus standen, mussten sich diplomatisch verhalten, sonst gingen sie pleite. Der Wirt, bei dem wir einkehrten, machte da keine Ausnahme. Er war früher einmal Nachbar des Alten gewesen, folglich begrüßte er uns herzlich und zuvorkommend, und das sogar mit Handschlag, nachdem er sich die Hände an einem Tuch abgetrocknet
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