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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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dankbar, hatten sie somit doch einen langen und anstrengenden Tag hinter sich gebracht. Zu dem Zeitpunkt hatten Thady Dowd und mein Großonkel bereits mehr an Hochprozentigem zu sich genommen, als ihnen guttat, aber das hielt sie nicht davon ab, sich für jeden noch einen Viertelliter Whiskey in Mikey Joes Irish-American Bar zu beschaffen, um sich den Heimweg zu verkürzen.
    Da sie das Pony reichlich mit Hafer versorgt hatten, war es in prachtvoller Verfassung, als sie es wieder anspannten. Wie alle Tiere, die einen Tag lang weitab von ihrer gewohnten Umgebung verbracht haben, lockten den Hengst seine vertrauten grünen Weidegründe, und er strotzte vor Tatkraft. Sobald er die Landstraße vor sich hatte und nicht verschiedenen Hindernissen ausweichen musste, verfiel er in einen regelrechten Trab. Der Vollmond erhellte die Landschaft, über die sich der mit Sternen übersäte Himmel spannte. Im Kutschwagen saßen die beiden halbbetrunkenen Kumpane und sangen, so laut sie konnten, begleitet vom stetigen Trapp, Trapp der Hufe ihres Ponys.
    Sie stimmten Lied um Lied an, und von Zeit zu Zeit entkorkten sie ihre Flaschen und nahmen einen herzhaften Schluck. Danach sangen sie um so lauter, und die Hunde selbst entfernt gelegener Gehöfte fielen mit ihrem Gebell ein. Ein Ohrenschmaus war das nicht gerade, doch sie brachten Meile um Meile hinter sich.
    Aus unerklärlichem Grund blieb ihr Pony plötzlich stehen. Sie konnten ihm zureden, soviel sie wollten, es bewegte sich keinen Schritt weiter.
    »Was hat das Vieh bloß?«, fragte Thady Dowd entrüstet.
    »Hab nicht die geringste Ahnung«, erwiderte mein Großonkel.
    Abgesehen von dem sanften Rauschen des Gale umgab sie eine unheimliche Stille. Eine schmale Brücke überquerte den Fluss. Er war genau der Gale, den schon Edmund Spenser, Poet im 16. Jahrhundert, in einem Gedicht über irische Flüsse besungen hatte. Zur Linken standen die grauen Kreuze und Grabmäler des Friedhofs, übergossen vom fahlen Licht des Mondes. Das Pony verharrte wie angewurzelt mitten auf der Straße, hielt den Kopf gesenkt, jeder Muskel war gespannt. Weißer Schaum tropfte aus dem Maul, in den geweiteten Augen stand die blanke Angst.
    »Mir ist ganz mulmig zumute«, flüsterte mein Großonkel.
    »Verdammte Scheiße«, rief Dowd. »Ich steig mal ab und sehe nach, was eigentlich los ist.«
    »Bleib, wo du bist!«, riet ihm mein Großonkel, doch der halsstarrige Dowd war nicht zu stoppen. Er sprang auf die Straße und umrundete mehrmals mit prüfendem Blick Pony und Kutschwagen.
    »Hier ist nichts«, rief er und ging auf den Fluss zu. Konnte ja sein, die Brücke war baufällig geworden, und das Pony hatte mit seinem Tierinstinkt gespürt, dass da was nicht stimmte. Aber die Brücke war völlig intakt. Er beugte sich übers Geländer und schaute ins flache, strudelnde Wasser. Nichts Ungewöhnliches war zu erspähen.
    Er machte kehrt, schüttelte verächtlich den grauhaarigen Kopf und schlurfte in Richtung Friedhof. Kaum schlug er den schmalen Weg zum Hauptportal ein, da hob das Pony den Kopf und trotte ihm hinterher. Mein Großonkel war während der ganzen Zeit im Kutschwagen geblieben. Stocksteif saß er da, hielt die Zügel in der Hand und verfolgte jeden Schritt seines Freundes mit Argusaugen.
    Dowd stützte sich auf das Gatter der Begräbnisstätte und stieß einen Schrei höchsten Überraschtseins aus. Denn was er erblickte, waren zwei Hurling-Mannschaften in kompletter Ausstattung mit kurzen Hosen, Jerseys und Laufschuhen. Jeder Hurling-Spieler hatte einen Hurley-Schläger in der Hand. Seitwärts saß auf einem niedrigen Grabstein ein kleiner, friedfertig aussehender, kahlköpfiger Mann. Er hatte ein weißes Trikot an und unterschied sich damit von den Teams, die Rot beziehungsweise Grün trugen. Er hielt einen Hurley-Ball in einer Hand und in der anderen ein altertümliches Jagdhorn aus poliertem Kupfer.
    Das Pony war vor dem Tor, über das sich Dowd lehnte, zum zweiten Mal stehen geblieben.
    »Komm da weg«, rief mein Großonkel, »überlass die Toten sich selbst.«
    »Würde nichts nützen«, schrie Dowd zurück, »das Pony wird sich erst bewegen, wenn’s den Leuten da passt.«
    »Was ist denn los mit euch?«, rief er den Hurlers zu, die herumstanden, als warteten sie auf etwas Besonderes. Anfangs beachteten sie ihn nicht, erst als er streitlustig erneut rief, kam ein großgewachsener Spieler mit kalkweißem Gesicht zum Tor. Der erklärte ihm, er sei der Kapitän der Hurlers im roten Trikot,

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