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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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ein Hirsch. Er hüpfte über Grabhügel und raste halsbrecherisch schnell um Kreuze und Grabsteine. Nie verlor er das Ziel aus dem Auge, die Torlinie des Gegners.
    Auf dem linken Flügel tat sich eine Lücke auf, er nutzte die Chance, rannte durch und schnurstracks auf das Tor zu, nicht ohne dass die ganze Ballybawn-Mannschaft ihm auf den Fersen blieb wie eine Meute hungriger Jagdhunde. An der 20-Meter-Linie stoppte er abrupt und schlug den Ball. Der driftete nach rechts weg, flog aber durch die Kreisöffnung eines keltischen Kreuzes, prallte am Kopf eines Gipsengels ab und sprang gegen die ausgestreckte Hand des Erzengels Michael. Dadurch wurde der Ball aufs Tor gelenkt, kurvte um den linken Pfosten und landete im Netz unter der Querlatte.
    Um bei der Wahrheit zu bleiben, nicht nur der Ball, sondern auch die leere Whiskeyflasche sauste durch die Luft. Dowd hatte sie in weiser Voraussicht, sobald der Schiedsrichter ihm den Rücken zudrehte, auf den Torwart der Ballybawns geschleudert. Die Zuschauer waren außer Rand und Band. Die Ballyduffs und ihre Anhänger scharten sich um Dowd und umarmten ihn. Sie hoben ihn auf die Schultern und trotteten mit ihm einmal um den Friedhof. Am Ende des Triumphzugs forderte der Kapitän zu drei Hipphipphurras für ihren Sieger auf. Dreimal stiegen unheimlich klingende Laute gen Himmel, und als sie erstarben, wurde das Rauschen des Flusses wieder hörbar. Die Mannschaften waren urplötzlich verschwunden, bis auf den langen, gespensterhaft wirkenden Kapitän der Ballyduffs. Nach über einer Stunde regte sich auch das Pony wieder. Es scharrte mit den Hufen auf dem schmalen Weg und wäre am liebsten gleich losgetrabt.
    »Komm, steig ein!«, rief mein Großonkel. Begleitet vom Kapitän, schritt Dowd auf das Eingangsgatter zu, vor dem das Pony tänzelte und kaum noch zu halten war. Dowd schüttelte dem Kapitän die Hand und war schon im Gehen, da legte sich eine Geisterhand fest auf seine rechte Schulter. Der Kapitän beugte sich zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Was immer er zu hören bekam, Dowds Gesichtszüge änderten sich schlagartig. Die glühend rote Nase verfärbte sich bräunlich, und die vom Whiskey rosig angehauchten Wangen wurden aschfahl. Nur mühsam kletterte er über das Gatter, während der Kapitän sich hinter ihm wie ein vom Wind verwehter Nebelstreif auflöste.
    Dowd kauerte sich in den Kutschwagen, schwieg und starrte vor sich hin. Seine Miene war so gramerfüllt, dass es meinem Großonkel in die Seele schnitt. Das Pony verausgabte sich auf dem Heimweg geradezu, die Mähne flatterte, der feste Rumpf hob und senkte sich im Rhythmus des Trabs.
    Schließlich stellte mein Großonkel die ihn bedrängende Frage. »Was, um Himmels willen, hat er dir gesagt?«
    Dowd schüttelte langsam und traurig den Kopf, ehe er sich zu einer Antwort durchrang. Die Worte kamen stockend mit gebrochener Stimme. »Weil ich so toll gespielt habe, hat er gesagt, gehör ich ab Sonntag für immer zu ihnen.«

Das Weideland vor der Schanze

    »Gras für zehn Kühe, und das Wasser reicht für eine Million.« Der Alte lachte, während er das sagte.
    Es ist schon eine Weile her. Wir trieben die Kühe einen engen Wiesenweg hinunter zum abendlichen Melken und hatten ziemliche Eile. Am Abend gab es ein Fußballspiel in Castle-Island. Eine Mannschaft aus Tralee wurde erwartet, ebenbürtige Gegner, und wir fieberten einem spannenden Spiel entgegen. Hinter den gelben Ginsterbüschen, die sich von den grünen Hecken abhoben, konnte ich die schmalen Wiesenstreifen sehen. In manchen glitzerte die Bodennässe selbst im Hochsommer.
    Eigentlich wie in einem Theaterstück, dachte ich. Der Alte und seine Frau sind die Hauptdarsteller. Die zehn Kühe und das andere Vieh sind die Schauspieler, fehlt nur noch einer, der Bösewicht nämlich. Ich mache den Chor. Ihr merkt schon, den Störenfried hebe ich mir bis zuletzt auf. Dabei war er von Anfang an da. Ich meine das Wasser, das immer gegenwärtige, stets vorhandene, verfluchte Grundwasser.
    Oft genug hatte der Alte in Wirtshäusern aus Jux damit geprahlt, dass ein Reiter auf einem Pferd es nicht schaffen würde, seinen Besitz an einem Tag zu umrunden. Fremde schüttelten ungläubig den Kopf, doch diejenigen, die seine Wiesen kannten, warteten geduldig auf die erläuternde Fußnote.
    »Ihr könnt mir glauben«, sagte er schließlich augenzwinkernd, »hinter der Wiese an der Schanze würden Ross und Reiter einfach absaufen.«
    Am Ende des Wiesenwegs standen der

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