Whiskey für alle
lohnt.« Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, sprach der Alte in den Raum hinein.
Die tiefgründige Weisheit des Satzes ließ alle in Hörweite aufhorchen. Andachtsvoll wiederholten die beiden Männer neben uns die Worte, damit sie bei der Weitergabe von Mund zu Mund ja nicht entstellt würden. Andere griffen sie auf und sagten sie weiter. Natürlich waren da auch Gäste, die keine rechte Ahnung von den Dingen hatten, und die taten den Spruch mit einem Achselzucken ab, weil sie seine tiefere Bedeutung nicht erfassen konnten. Die meisten Anwesenden aber stimmten der soeben gehörten Sentenz zu, ja, versuchten sogar, sie sich einzuprägen, um sie in Zukunft bei gegebenem Anlass wieder zu verwenden.
Unversehens war die Zeit des Ausschankschlusses herangekommen. Der Wirt schlug dreimal mit dem Holzhammer auf den Tresen.
»Zeit nach Hause zu gehen, Jungens«, rief er.
Ohne zu murren trank jeder sein Glas aus, und einer nach dem anderen trat hinaus in den Mondenschein.
Als ich endlich im Bett lag, schlief ich schnell ein. Es war wohltuend, die müden Glieder unter dem weichen Federbett auszustrecken. Wie spät es war, als die alte Bäuerin in meine Kammer kam, habe ich vergessen. Ich weiß nur, dass ich aufwachte, weil sie mich an der Schulter rüttelte.
»Was gibt es?«, fragte ich verschlafen.
»Es ist wegen meinem Alten, der ist irgendwie übergeschnappt«, entschuldigte sie sich. »Er kann nicht schlafen und will, dass du mal für ’ne Minute rüberkommst.«
Ich stand auf und ging in die Stube nebenan. Aufgerichtet und mit Kissen im Rücken saß er im Bett. Er hatte die Pfeife im Mund, und aus seinen zusammengebissenen Zähnen kräuselten sich Rauchwolken.
»Ich habe es glatt vergessen«, klagte er.
»Was hast du glatt vergessen?«, fragte ich.
»Was du gestern Abend über die Wiese vor der Schanze gesagt hast.«
»Ach das.« Ich lachte.
»Da gibt’s gar nichts zu lachen«, grummelte er. »Ich liege deshalb schon die halbe Nacht wach.«
»Es ist ein Stück Land, für das es sich zu kämpfen lohnt«, erinnerte ich ihn.
»Ah ja, das war’s«, sagte er beruhigt und legte die Pfeife auf den Nachttisch. Er strich die Kissen glatt, ließ sich auf den Rücken sinken und zog die Bettdecke unters Kinn. Ein befriedigtes Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Es ist ein Stück, für das es sich zu kämpfen lohnt«, flüsterte er vor sich hin. Schon einen Moment später schnarchte er und war fest eingeschlafen.
Wie umgewandelt
Das Dorf schlief. Im Halbschlaf lag es eigentlich immer. Jetzt aber, in der sengenden Junisonne, schlief es wirklich. Es bestand aus einer einzigen langen Straße mit vierzig oder fünfzig Häusern. Darunter waren Geschäfte, im Grunde genommen viel zu viele, auch drei heruntergewirtschaftete Pubs, deren Türen verschlossen waren, als wäre es ihnen peinlich, überhaupt Gäste einzulassen. Das stimmt natürlich nicht ganz. Was aber stimmt, ist, dass durchreisende Fremde Aufsehen erregten und das normale Leben völlig durcheinander brachten. Die Dorfbewohner tranken nur abends, und das auch in Maßen, und waren nicht so einfach bereit, Gepflogenheiten zu akzeptieren, die ihnen völlig fremd waren.
Mitten auf der Straße lag ein räudiger Schäferhund, eine Hündin, und sonnte sich, das einzige lebende Wesen weit und breit. Es war ein Freitag. Ich erinnere mich noch genau, denn mein Onkel, bei dem ich zeitweise wohnte, war an dem Morgen zur Anlegestelle geradelt, um zwei frische Makrelen zu holen. Makrelen schmecken besser, wenn sie frisch gefangen zubereitet werden.
Jedenfalls lag die Hündin lang hingestreckt in der Sonne. Vom Küchenfenster aus konnte ich die ganze Straße übersehen. Abends, wenn der Onkel nicht in den Pub ging, saßen wir immer dort und beobachteten die Nachbarn. Er lieferte die Kommentare, und ich hörte zu, und manchmal lief ich rasch in meine Kammer, um außergewöhnliche Formulierungen zu notieren. Er gab herrliche Kommentare ab, aber ich hütete mich, eine anerkennende Bemerkung zu machen. Er hätte dann vielleicht nichts mehr gesagt und zu seinen Beobachtungen geschwiegen. Bisweilen hatte ich Mühe, das Lachen zu unterdrücken, und wenn es mir nicht ganz gelang, strafte er mich mit argwöhnischen Blicken.
Ich hörte ihn hinter mir in der Küche wirtschaften. Er rumorte mehr herum, als nötig gewesen wäre.
»Wie möchtest du sie haben«, rief er, »gedünstet oder gebraten?«
»Gebraten natürlich.«
Am äußersten Ende des Dorfes kam ein schicker grüner
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