Whiskey für alle
das Spiel könne nicht beginnen, weil seinem Team ein Mann fehlte.
»Was seid ihr überhaupt für Mannschaften?«, fragte Dowd kess.
Der Kapitän erklärte ihm, sein Team seien die Ballyduffs und die anderen die Ballybawns.
»Ha!«, rief Dowd übermütig. »Ich bin euer Mann. Meine Mutter, Gott sei ihr gnädig, stammte aus Ballyduff. Wenn ihr nichts dagegen habt, spiele ich in eurem Team.«
Der Kapitän nickte zustimmend, als aber mein Großonkel seinem Kumpan zurief, er solle die Finger lassen von diesem himmelschreienden Unsinn, wandte sich der Kapitän um und sagte zu dem, der im Kutschwagen saß: »Euer Pony wird sich nicht eher vom Fleck rühren, als bis der Schlussruf in diesem Hurling-Spiel ertönt.« Die Stimme klang gespenstisch hohl.
Mein Großonkel hielt sofort den Mund. Das Pony stand wie versteinert, selbst die Geräusche vom Fluss waren verstummt. Der Mond schien silberhell, und das Spielfeld, das so lang und breit war wie der Friedhof, war wie in Flutlicht getaucht. Aus dem Erdboden stiegen Gestalten hoch und nahmen auf der Friedhofsmauer Platz. Der Schiedsrichter schaute zum Mond empor, wartete einige Augenblicke und blies ins Jagdhorn. Dann warf er den Ball ein.
Dowds Team, die Ballyduffs, waren zu Anfang ziemlich lahm und mussten von der agileren Ballybawn-Seite allerhand einstecken. Das erste Tor fiel, nachdem der Schiedsrichter Ballybawn einen Free-Puck zugesprochen hatte. Er verwarnte auch einige Ballyduff-Spieler, vor allem Dowd und den Kapitän, wegen beleidigender Äußerungen ihm gegenüber, aber auch wegen unfairen Spiels.
Der Mannschaftskapitän der Ballybawns schlug den Ball glatt zwischen die Torpfosten. Die Fans auf der Friedhofsmauer gerieten aus dem Häuschen, und am Tor kam es sogar zu einem Faustkampf. Jemand bewarf den Schiedsrichter mit einer Kakao-Blechdose, und der drohte, das Spiel abzubrechen, wenn sich die Zuschauer nicht im Zaum hielten. Auf dem Spielfeld kam es hie und da zu Fausthieben, doch im Großen und Ganzen bewegte sich das Spiel auf so hohem Niveau, wie es mein Großonkel schon lange nicht mehr gesehen hatte. Im Spiel war viel Bewegung, und es gab exzellente Treffer aus langer Distanz. Die Schläge aus dem Handgelenk und das Bailaufnehmen mit dem Hurley ließen nichts zu wünschen übrig. Nach der Halbzeit legten sich beide Mannschaften richtig ins Zeug. Die Spielzeit näherte sich dem Ende, und fünf Minuten vor Schluss hatten beide Seiten gleichen Punkt- und Torstand.
Keiner gönnte dem Gegner auch nur einen Zollbreit Boden. Jeder Spieler brannte darauf, das entscheidende Tor zu machen. Die gespenstischen Gestalten auf der Mauer sprangen erregt auf und ab, feuerten die Spieler zu immer besseren Leistungen an.
Fast sah es so aus, als würde das Spiel unentschieden enden. Dem Großonkel fiel auf, dass der Schiedsrichter von Zeit zu Zeit zum Vollmond hochblickte und das Jagdhorn nervös in den Händen drehte. Lag es daran, dass er das Spiel beim gegenwärtigen Stand am liebsten abgeblasen hätte, um sich die Hände in Unschuld waschen zu können? Nichts kommt einem Schiedsrichter mehr zupass als ein Unentschieden. Beide Seiten behalten ihre Hoffnung, beim nächsten Mal besser abzuschneiden, und es ist unwahrscheinlich, dass man den armen Mann verprügelt, wenn er vom Spielfeld geht. In den letzten Spielminuten entstand im Mittelfeld ein Gerangel, an dem Dowd nicht unbeteiligt war. Man schlug mit Fäusten um sich, und Hurley-Stöcke wurden hochgereckt. Mehr als einmal hörte man Eschenschläger dumpf auf harte Schädel knallen.
Der Schiedsrichter ging dazwischen, holte einen Schreibblock aus der Tasche und fing an, Namen zu notieren. Dowd nutzte die kurze Pause und gönnte sich einen Verschnaufer. Er hockte auf einem sich anbietenden Grabstein, zog die Whiskeyflasche aus der Hosentasche und warf einen betrübten Blick auf den Rest darin. Die Flasche war noch viertelvoll, er hob sie an die Lippen und trank sie in einem Zug leer. Beim Absetzen rülpste er so laut, dass es über den ganzen Friedhof hallte. Mit sich zufrieden, zog er den Hosenriemen fest und wartete auf die Wiederaufnahme des Spiels.
Eigentlich blieb kaum noch eine Minute, dennoch wurde ins Horn geblasen und der Ball eingeworfen. Dowd kam sofort in Ballbesitz. Mit einem wilden Schrei fuhr der Betrunkene durch seine Gegner wie eine Sichel durch hohes Präriegras, dabei balancierte er den Ball auf dem breiten Ende des Hurley-Schlägers. Mal schoss er wie eine Forelle dahin, sprang dann hoch wie
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