Whisper (German Edition)
nicht?“
Der Junge streckte sich genüsslich.
„Hättet ihr mich nicht schlafen lassen können? Mann, die Fahrt dauert bestimmt noch ewig. Ja, ich kann reiten. Meine Großeltern haben einen Bauernhof mit Pferden, auf denen ich geritten bin. Zufrieden? Kann ich jetzt weiterschlafen?“
Edith gab ihm einen letzten Stoß.
„Schlaf weiter, alter Knacker“, meinte sie gnädig und wandte sich wieder Christina zu, doch noch bevor sie etwas sagen konnte, meldete sich das Mädchen in der Mitte der Bank zu Wort. Sie hielt zwar noch immer die Augen geschlossen, schien aber trotzdem jedes Wort verstanden zu haben.
„Ihr seid laut, wisst ihr das?“, meckerte sie dreist. „Ich habe im Flugzeug nicht geschlafen, zuhause wäre es jetzt Nacht und ich bin müde. Wäre es nicht möglich die Klappe zu halten oder zumindest leise zu reden?“
Edith zupfte leicht an ihren Haaren.
„Du glaubst wohl was Besseren zu sein, ha?“
Judith öffnete ihre Augen, drehte sich etwas zur Seite, sodass sie Edith ins Gesicht blicken konnte.
„Dir hat wohl noch niemand deine eigene Stimme vorgespielt, was? Du befindest dich drei Zentimeter von meinem Ohr entfernt und schreist, dass man dich bis nach Deutschland hören kann. Wenn du so weitermachst, habe ich einen Gehörschaden, bevor wir in Big Bar Creek angekommen sind.“
Edith hielt für einen Augenblick den Mund und setzte sich etwas zurück, während Christina leicht in sich hineinlachte.
„Und außerdem“, fuhr Judith fort, „die Prinzessin sitzt im Auto hinter uns. Die bekommt die Sonderbehandlung, nicht wir, also, wenn hier jemand eine Tussi ist oder glaubt, was Besseres zu sein, dann wohl eher die.“
Patrick legte seinen Gameboy weg, Markus warf einen Blick nach hinten durch das Fenster zu dem Pick Up, Edith verfolgte seinen Blick, der Junge links von Edith schlief wieder, und Christina und Judith sahen sich gegenseitig vielsagend an. Es war schon bemerkenswert, dass sie beide denselben Gedanken hatten, obwohl sie sich kaum kannten und erst ein paar Sätze miteinander gewechselt hatten.
„Ob die reiche Eltern hat?“, fragte Christina und warf nun ebenfalls einen Blick hinaus.
Judith zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Man hat sie unter Jasmin Bernhard vorgestellt. Sie trägt ihre Kapuze die ganze Zeit weit über den Kopf, sodass man noch nicht mal ihr Gesicht sehen kann. Der Pulli ist ihr zu groß, denn er reicht ihr über die Hände. Zudem wurde ihr Gepäck getragen. Wir mussten es selber schleppen. Im Flugzeug saß sie ganz woanders. Ich habe so das Gefühl, dass sie abgeschirmt wird. Also muss sie wohl wichtig oder was Höheres sein, was weiß ich. Mich würde nur interessieren, was die denn hier draußen macht?“
Christina grinste breit.
„Wir werden es bestimmt herausfinden. Das Prinzesschen wird nicht lange Prinzesschen bleiben.“
Judith nickte, hob aber den Kopf, als sich Patrick räusperte.
„Soweit ich das mitbekommen habe, machen wir hier keinen Urlaub, sondern sollen in gewisser Weise auf andere Gedanken kommen. Wir sollen hier wieder auf einen geraden Weg geführt werden.“ Um seine Gedanken zu untermauern, verzog er sein Gesicht zu einer schiefen Grimasse. „Zumindest hat meine Mutter das so nebenbei mal erwähnt. Ich kenne zwar eure kleinen Probleme nicht, aber die Ranch, auf die wir kommen, ist gleichzusetzen mit ´Die strengsten Eltern der Welt`. Die Serie kennt ihr sicher. Ein Dreiwochenaufenthalt für schwer erziehbare Kids. Vielleicht ist die da draußen ein absoluter Härtefall. Vielleicht rennt sie nachts mit nem Messer rum und versucht alle zu ermorden, wer weiß.“
„Patrick!“
Judith zuckte zusammen und hielt sich das Ohr zu.
„Entschuldigung!“, meldete Edith sofort hinterher. „Ist mir nur so rausgerutscht.“ Sofort versuchte sie ihre Stimme um einige Oktaven zu senken. „Meine Mum hat auch zu mir gesagt, dass wir auf der Ranch Survivaltraining oder sowas haben. Mehr hat sie nicht verraten. Du meinst, wir bekommen dort echt eine Gehirnwäsche?“
„Warts ab“, erklärte jetzt Markus. „Mein Dad hat gesagt, dass wir dort lernen werden, das Leben zu schätzen. Glaubst du wirklich …“
„Diese Farm ist dafür da, damit ihr lernt, was es heißt, warmes Wasser, ein warmes Bett, etwas zu essen und sonstige alltägliche Dinge zu haben. Jeder von euch hängt mit seinem Leben irgendwo in den Seilen. Streit mit den Eltern, Alkohol, Sucht, Diebstahl, Schlägereien, Schule schwänzen, kein Bock auf Arbeit, was weiß
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