Whitley Strieber
war ihm zu spät klar geworden. Wahrscheinlich hatte sie für ihn ohnehin nicht mehr als ein bisschen Mitleid empfunden. Frauen ver- liebten sich nicht in ihn. Seine Theorie war, dass sie seine Gewalttätig- keit spürten. Er machte ihnen Angst. Oder es lag an den vielen Reisen und seinem permanenten Zeitmangel.
Er hatte sein Sexleben fast mit klinischem Kalkül geführt, Huren wie Spielzeug benutzt ... oder wie Maschinen. Bald würde er sich selbst das nicht mehr leisten können.
Er lag auf dem Bett und dachte über seine unmittelbare Zukunft nach. Er besaß noch achttausend Dollar. Das würde einige Monate reichen. Aber so lange würde er ohnehin nicht hier bleiben.
Er nahm seine zerblätterte New York bei Nacht-Ausgabe, suchte die Namen verschiedener Nachtclubs heraus und fragte bei der Auskunft nach den Telefonnummern. Die New Yorker Gothik-Clubszene unter- lag einem ständigen Wandel, und was vor sechs Monaten noch der letzte Schrei gewesen war, konnte heute völlig in Vergessenheit gera- ten sein. Keiner der aufgelisteten Clubs verfügte über eine Telefon- nummer. Wahrscheinlich existierten sie nicht mehr und hatten längst einen neuen Namen und ein neues Konzept.
Vielleicht sollte er einfach nach Soho fahren und ein bisschen herum- laufen. Er käme an den dichtgemachten Clubs vorbei. Wer weiß, was
er vorfinden würde?
Andererseits war diese Herangehensweise vermutlich volkommener Schwachsinn, lediglich eine Ausrede für eine Kneipentour. Denn ei- gentlich wollte er sich nur besaufen, danach eine Hure aufgabeln und sich einen blasen lassen. Zumindest wäre dies ein versöhnlicher Ab- schluss einiger wirklich mieser Tage. Als er in New York angekommen war, hatte er fast halluziniert vor Schlafmangel und der geistigen Er- schöpfung, die eintrat, nachdem man Vampire umgebracht hatte. Au- ßerdem war er auf der Flucht. Er hatte sich hier eingebunkert und bei einem Sandwichladen telefonisch Essen und Zeitungen bestellt. Das Zimmer hatte keinen Fernseher, deswegen schlief er lange. Etwas Gu- tes hatte es jedenfalls: seiner Schulter ging es viel besser. Sie schmerzte zwar noch, aber zum Teufel damit, eigentlich hätte er noch im Krankenhaus liegen müssen.
Er musste sich eine Waffe besorgen. Schade, dass er sich keine die- ser französischen Superknarren besorgen konnte. Was für eine Feuer- kraft diese Dinger besaßen. Unglaublich. Nun, er musste sich eben mit einer guten alten 357er begnügen. Sie hatte ihm in Asien gute Dienste erwiesen und würde es auch hier tun. Man ging nahe heran und zielte auf den Kopf. Es war effektiv. Ein, zwei Kugeln verwandelten ein Vam- pirhirn in klumpige Fleischsoße.
Das Problem war: Wo besorgte man sich in Nueva York eine Waffe, ohne automatisch an einen Denunzianten zu geraten? Leute im illega- len Waffenhandel verdienten ihr Geld auf zweierlei Weise – von ihren Kunden und von den Cops, an die sie sie verrieten. Ihre echten Kun- den verpfiffen sie natürlich nicht, aber irgendeinen dahergelaufenen Kerl würden sie mit Sicherheit ans Messer liefern. Innerhalb von zehn Minuten würde seine komplette Beschreibung auf dem nächsten Poli- zeirevier landen. Verhaftungen wegen illegalen Waffenbesitzes waren in dieser Stadt gang und gäbe. Machte sich gut in der Personalakte. Ein Schritt nach dem anderen. Als Erstes musste er die Vampire lo- kalisieren. Da es mit der Clubszene nicht funktionierte, musste er es mit den Vermisstenfällen versuchen und schauen, ob sich darin ein Muster fand. Was ihn jedoch wenig zuversichtlich stimmte war der Um- stand, dass in dieser Stadt ganze Heerscharen von Leuten einfach verschwanden. Es war nicht wie in Peking, Singapur oder Tokio, wo ein Vermisster eine heiße Zeitungsmeldung war. Im guten alten New York schafften es die meisten Vermissten nicht einmal auf die letzte Seite. Gut, dann musste er es eben doch mit den Clubs versuchen.
Sie waren auf dem Weg ins Veils, fuhren im Bentley auf der 57. Straße in Richtung Fifth Avenue. Miriam und Sarah saßen nebeneinander. Leo saß ihnen gegenüber auf dem schmalen Extra-Platz.
»Gut möglich, dass sich heute Abend ein Mann nach Ellen Wunder- ling erkundigt. Es wird Zeit, dass er uns findet. Ich möchte informiert werden, sobald er nach ihr fragt.«
Sarah spürte einen Stich in der Magengrube.
»Wer ist Ellen Wunderling?«, fragte Leo.
»Sie war eine der kleinen Torheiten meiner süßen Prinzessin hier«, sagte Miriam und gab Sarah einen neckischen Kuss auf die Wange. Bis Paris war Ellen
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