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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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konnte niemandem von Paul Ward erzählen, weil sie nie- mandem von dem Vampir-Projekt erzählen konnten. Täten sie es doch, müssten sie auch verkünden, dass Menschen nicht an der Spitze der Nahrungskette standen, sondern dass sie eine legitime Beute für Vampire waren, so wie offenbar von der Natur vorgesehen. Noch schlimmer war: Sie würden erklären müssen, dass dieser Räu- ber verdammt gerissen war und eine bemerkenswerte Tarnung entwi- ckelt hatte. Verstehen Sie, der Räuber sieht aus wie wir. Nur dass seine Haut so blass ist wie ein Oktober-Mond und dass er einen um- schmeichelt und leidenschaftlich in die Arme nimmt, wenn er einen umbringt. Was das äußere Erscheinungsbild betrifft, können Sie zwi- schen einem Vampir und Ihrem Briefträger oder Ihrem Hausarzt oder Ihrem verdammten Bruder keinen Unterschied feststellen.

Keine der beteiligten Abteilungen und keine der beteiligten Regierun- gen hatte in Frage gestellt, dass diese Operation streng geheim blei- ben musste.
    Er starrte missmutig auf den vor ihnen stehen gebliebenen Lastwa- gen. Parkte die Karre etwa mitten auf der Straße, oder was?
    »Gib Gas, Junge.«
    »Sir, wir sind in Bangkok.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich fahre?«
    »Sie wollen fahren?«
    »Ich muss vor Einbruch der Dunkelheit da sein, verdammt noch mal!«
    »Sie sehen doch den Verkehr!«
    »Los, Junge, mach schon! Fahr weiter!«
    Der Wagen schoss nach vorne, fuhr mitten auf den Bürgersteig. Ein aufgebrachtes Männchen hämmerte, während sie seinen Obstkarren in Kleinholz verwandelten, wütend an das Beifahrerfenster.
    »Du blöder Trottel! Der Mann verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Karren!«
    »Sie sagten doch, ich solle weiterfahren!«
    »Ich sagte aber nicht, dass du dabei Passanten gefährden sollst.« Für Paul war es das Wichtigste auf der Welt, keiner Seele etwas zu Leide zu tun. Er bugsierte eine Fliege lieber aus dem Fenster, statt sie zu erschlagen. Er sah gelassen zu, wie eine Mücke sein Blut saugte, und verscheuchte sie erst, wenn er meinte, dass sie zu gierig wurde. Eigenartig für einen Mann, der so viel mit dem Tod zu tun hatte. Wenn er schlief, suchten ihn ganze Legionen seiner Toten heim: die Kinder, die in den finsteren Winkeln Vietnams gestorben waren, die zahllosen Opfer der Vampire und die Mitglieder seiner Mannschaft, die von einem Einsatz nicht zurückgekehrt waren. Sie riefen ihm zu, stri- chen ihm mit ihren kalten Händen über die Haut, flehten ihn an, ihnen ihr Leben zurückzugeben.
    Dann erwachte er schweißgebadet, würgend vor Entsetzen und Be- dauern. Meistens stand er sofort auf und begab sich in die grelle Hel- ligkeit des Badezimmers – als wäre es ein von tausend Kerzen erhell- ter Altarraum – und schluckte ein paar Pillen des Vergessens. Schwar- zer Schlaf.
    Asien hatte ihn einige schlimme Dinge lieben gelehrt, darunter in ers- ter Linie Opium. Es war besser als Haschisch, Gras oder Kokain oder irgendeine der neuen Designerdrogen – und viel besser als der er-

drückende Heroinrausch. Opium bereitete einem wunderschöne Ge- fühle, schaffte eine Verbindung zwischen Seele und Erde. Man emp- fand tiefen Frieden mit sich und der Welt. Er mochte die Rituale des Opium-Rauchens: das gemächliche Bereiten der langen Pfeifen, das Inhalieren des süßlichen Rauchs und das stundenlange Herumdösen auf den verlausten alten Seidendecken, die in den wenigen heute noch existierenden echten Opiumhöhlen ausgelegt waren.
    Paul Ward hatte sich in finsterste Niederungen hinabbegeben und schwer gesündigt. Warum nicht, Freunde? Morgen sterben wir ohne- hin.
    Zumindest hatten sie dies in den Siebzigern geglaubt, als sie Kissin- gers Ansprachen im Armee-Sender gelauscht hatten. Anfangs, als er noch nichts von Vampiren gewusst hatte, war es ihm schwer gefallen zu töten – aber eigentlich war es doch leichter als gedacht.
    Im Dschungel-Kampf Opium zu rauchen war ein Ding der Unmöglich- keit. Wer über seine Füße stolperte, starb.
    Dasselbe galt noch heute, zumindest für ihn und seine Mannschaft. Vampire zu töten war schrecklich gefährlich. Sie waren schnell und äu- ßerst stark, so stark, dass sie ein Messer mit der Geschwindigkeit ei- ner Gewehrkugel werfen konnten. Mit gewöhnlichen Kugeln konnte man sie nicht töten. Man konnte ein ganzes Magazin der fürchterlichs- ten Feuerwaffe, die man im Arsenal hatte, in eines der verdammten Viecher ballern, und trotzdem starrte es einen nur gleichmütig an und wartete darauf, dass einem die Munition

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