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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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dass sie weitermachte, selbst als er schon im Sterben lag. Sie brachte ihn noch zweimal fast zum Höhepunkt. Sein Körper glich einem lodernden Hochofen; sein Blut brodelte. Ihre spitzen Zähne wa- ren tief in seinem Hals. Der kontinuierliche Blutverlust begann ihn zu töten. Genau jetzt, in diesem Augenblick, glaubte sie, seine Seele zu spüren.
    Sie saugte schnell und kräftig; die gurgelnden Schluckgeräusche hallten gespenstisch durch das stille, sonnendurchflutete Hotelzimmer. Er hatte keine Gelegenheit mehr zu schreien. Während er starb, wur- den die Stöße seiner Lenden immer unregelmäßiger, bis die Bewegun- gen ganz zum Erliegen kamen.
    Das Blut durchströmte sie wie ein lebendiges Feuer und ließ ihre Ein- geweide erblühen wie eine Blume. Dann kam der bittersüße, dem Blut folgende Nachgeschmack, was bedeutete, dass sie auch seine Organ- säfte ausgesaugt hatte.
    Sie ließ von ihm ab, setzte sich auf die Bettkante und zündete sich eine seiner Zigaretten an. Sie nahm einen tiefen Zug, das köstliche Gefühl seiner frischen Lebenskraft in ihren Adern genießend. Männer und Frauen fühlten sich recht verschieden an. Nachdem man eine Frau ausgesaugt hatte, spürte man eine grausame, unbändige Energie in sich. Man fühlte sich, als könnte man den gesamten Planeten ent- zweireißen. Ein Mann hinterließ den Geschmack seiner Stärke. Man bekam einen massiven, zu Kopf steigenden Testosteron-Rausch. Sie stand auf und ging zum Fenster. Umso gesünder sie waren, de- sto mehr hatte man von ihnen, und dieses Geschöpf hatte vor Ge- sundheit gestrotzt. Ihr Gesicht wurde heiß, Wärme durchflutete ihren Körper.
    Sie trat vor den Wandspiegel und berührte ihr Ebenbild im Glas. Vor- her war sie eine Frau gewesen; jetzt war sie ein Mädchen, frisch wie Morgentau, und hatte einen unschuldigen Glanz in den Augen. Während sie noch den Blutgeschmack in ihrem Mund genoss, be- gann sie, die Kleidung des Mannes zu durchsuchen. Sie würde sein

Geld nehmen, die Leiche entsorgen und sich auf direktem Weg zum Flughafen begeben. Sie konnte den Flug nach Paris noch schaffen. Der europäische Clan war nicht so groß wie der asiatische, doch seine Mitglieder waren uralt und weise, nicht so wie die abenteuerlichen Amerikaner. Die Europäer hatten die Balkan-Krise gelöst, indem sie die wahren Berichte über Vampire in Mythen und Märchengeschichten verwandelt hatten. Die Europäer würden wissen, was zu tun war. Im Jackett des Mannes fand sie seine dicke braune Brieftasche und klappte sie auf. Du arme, tapfer lächelnde Ehefrau, wirst du deinen Mann vermissen – oder froh sein, dass du ihn los bist? Und dort, die Kinder – verdammt!
    Es ärgerte sie, dass sie sich die Familienfotos ansah. Sie sah sich die Fotos nie an! Sie betrachtete die abgegriffene Aufnahme der Kin- der und fragte sich, wie alt die armen kleinen Dinger inzwischen sein mochten, dann schob sie die Aufnahme tief in eines der Brieftaschen- fächer zurück.
    Erst jetzt bemerkte sie die eigenartige Karte. Zuerst dachte sie, es wäre ein thailändischer Führerschein, doch als sie genauer hinsah, wurde ihr klar, dass es etwas völlig anderes war.
    In ihrer Hand lag ein Dienstausweis. Mit starrem Blick studierte sie den Aufdruck. Er war auf Französisch, Englisch und Chinesisch ge- schrieben, kein Wort Thai.
    Die zusammengefallene Hülle dort drüben auf dem zerwühlten Bett, die nun nichts weiter war als ein blutleerer, siebzig Kilo schwerer Sack aus straff über die Knochen gespannter Haut, war kein harmloser thai- ländischer Geschäftsmann gewesen. Was dort lag, waren die Über- reste von Kiew Narawat, einem Polizei-Inspektor von Interpol. Ihre Atmung wurde schneller, ihre Haut heiß und trocken. Ihr wurde schwindlig, und fast hätte sie sich übergeben. Sie zog ihre Unterwä- sche an, setzte ihre Perücke auf und nahm etwas Lippenstift, um das feuerrote Glühen ihrer Lippen zu verbergen. Aus den Tiefen ihrer Handtasche fischte sie drei gelbschwarze Pillen heraus und warf sie sich in den Mund. Bald würde der Schlaf an ihr nagen, aber sie durfte sich keinesfalls von ihm überwältigen lassen, nicht bevor sie im Flug- zeug auf ihrem Platz saß und sich in eine wärmende Decke gehüllt hatte.
    Die auf dem Bett liegenden Leichenreste vergessend, alles verges- send außer ihrer sofortigen Flucht, beging Miriam Blaylock einen ge- waltigen Fehler, einen Fehler, den sie in den dreitausend Jahren ihrer

Existenz auf der Erde noch nie begangen hatte. Genau genommen war

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