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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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es ein so seltener und schwerwiegender Fehler, dass einem Hüter als Bestrafung die Konfiszierung seines gesamten Besitzes drohen konnte.
    Die Ereignisse der letzten Stunden – die katastrophale Entdeckung in Chiang Mai und nun diese böse Überraschung und die möglicher- weise schreckliche Bedeutung des Ganzen – hatten sie so aufgewühlt, dass sie die Überreste ihres Opfers achtlos auf dem Bett liegen ließ. Sie hatte nur einen Gedanken im Kopf: Du musst sofort verschwin- den. Sie zog hastig ihren Hosenanzug an, stürmte aus der Suite, ohne nachzusehen, ob sie etwas liegen gelassen hatte, und nahm ein Taxi zum Flughafen.

3
    Der Jäger des Jägers
    Als Paul Ward endlich klar geworden war, was die wirre E-Mail von In- terpol zu bedeuten hatte, hatte er einen Moment lang geglaubt, der ge- samte Petronas-Towers-Komplex würde umstürzen und auf die Stra- ßen Kuala Lumpurs fallen. Aber die Wolkenkratzer standen noch. Nur seine Pläne waren in sich zusammengefallen.
    Verdammt noch mal, brüllte er stumm, sie waren wie Kakerlaken. Er hatte den gesamten Kontinent von ihnen gesäubert, hatte ihn von Grund auf gereinigt. Aber statt sein Büro in Kuala zu räumen und sich auf den Flug in die Staaten und die bürokratischen Auseinanderset- zungen, die ihn dort erwarteten, vorzubereiten, raste er nun in diesem klapprigen alten Botschafts-Cadillac durch die Straßen von Bangkok. Paul Ward hatte es mit einer äußerst klugen Tierrasse zu tun. Wie klug sie tatsächlich waren, wurde ihm erst jetzt bewusst.
    Er drückte sich in die Sitzpolster der Limousine und hielt sein Gesicht instinktiv im Schatten. Es war gut möglich, dass sie von ihm wussten und ihn erkannten. Er beobachtete die Menschenmassen auf den Stra- ßen und fragte sich, ob Bangkok – oder jede andere Metropole auf der Welt – genauso dicht bevölkert wäre, wenn die Einwohner wüssten, dass unter ihnen Raubtiere lauerten, die tausendmal gefährlicher wa- ren als ein Tiger oder Hai.
    Das Dumme war, dass er sogar seine traditionelle Siegesparty ge- schmissen hatte, bei der es all die traditionellen, auf innovative Weise von seiner Mannschaft zusammengeklauten Nettigkeiten gegeben hatte, die man für einen solchen Anlass brauchte. Sie hatten kisten- weise Veuve Clicquot aufgefahren, den sie dem Sureté-Außenposten in Ho Chi Minh City gestohlen hatten, dazu einige vom KGB in New Dehli geklaute Kisten Beluga und ein ganzes Heer sündiger Tänzerin- nen, die dem Reiz knisternder Dollarnoten erlegen waren – in Myan- mar hergestelltes Falschgeld, das Joe P. Lo, der einer Kobra das Gift aus dem Maul stehlen konnte, dem pakistanischen Geheimdienst un- ter der Nase weggeklaut hatte.
    Sie hatten der General East Asia Pest Control Company, ihrem iro- nisch benannten Aushängeschild in Asien, auf Nimmerwiedersehen Lebewohl gesagt. Es war ein mieser, schwieriger und brandgefährli-

cher Auftrag gewesen. Will Kennert, Addie St. John, Lee Hong Quo, Al Sanchez – dies waren nur einige, die im Kampf gegen die Vampire ihr Leben gelassen hatten.
    Hätte er für die anstehende Aufgabe nicht völlig klar im Kopf sein müssen, so hätte er dem Chauffeur aufgetragen, vor einer Bar zu hal- ten. Er wäre hineingegangen und hätte sich, wie ein am Zapfhahn sei- ner Destilliermaschine hängender Russe, im Eiltempo einen heiligen Stolichnaya-Wodka hinter die Binde gekippt. Danach würde er sich die ganze Nacht lang massieren lassen. Masseusen gab es hier zuhauf. Sie erfüllten einem jeden sündigen Wunsch, den er sich vorstellen konnte und – Bangkok sei Dank – wahrscheinlich auch einige, die er sich nicht vorstellen konnte.
    »Verdammte Scheiße!«, sagte er plötzlich laut.
    »Sir?«
    Der Chauffeur wusste nicht, dass Paul Ward zu sich selbst sprach. Woher sollte er es auch wissen? Die Leute kannten ihn nicht, selbst die Botschafts-Angestellten nicht. Das war auch nicht ihre Aufgabe. »Schon gut.«
    Der Flug von Kuala hatte ihn erschöpft – einfach nur auf dem ver- dammten Platz zu sitzen und stundenlang untätig warten zu müssen war zu viel für seine Nerven gewesen. Er hatte zu telefonieren ver- sucht, aber es hatte nicht funktioniert. Der Golf von Thailand war im- mer noch eine der leeren Ecken der Welt. Er hasste leere Orte, dunkle Orte. Kleine Orte hasste er sogar noch mehr. Er hatte immer wieder denselben Albtraum: Er erwacht, versucht sich aufzusetzen und knallt mit der Stirn so heftig gegen etwas, dass er Sterne sieht. Dann merkt er, dass er kaum Luft bekommt und sich

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