Whitley Strieber
Empfindungen nicht hin. Nein, das durfte sie nicht tun. Stattdessen zog sie einen Streich- holzbrief aus der Tasche.
» Madame, si'l vous plait!«
Meine Dame, bitte! Fürwahr! Sie zündete ein Streichholz an, ließ die anderen daran aufflammen und warf den ganzen brennenden Streich- holzbrief in das Benzin. Sofort schossen Flammen in die Höhe. Die Menschen begannen zu schreien. Sie sprangen mit wild rudernden Ar- men umher und wanden sich in der lodernden Feuersbrunst, so wie sich ihre Mutter auf dem Scheiterhaufen vor Schmerzen gewunden hatte.
Miriam drückte gegen den Stein, der ihnen die Flucht in die Pariser Kanalisation ermöglichen würde.
Nichts geschah.
7
Tödliche Falle
Paul rief zum fünften Mal innerhalb einer Stunde auf Beckys Mobiltele- fon an. Zum fünften Mal innerhalb einer Stunde erklang nur ihre An- sage. Er hatte bereits die Kommunikationsabteilung in Langley gebe- ten, seine beiden Mitarbeiter zu lokalisieren, aber entweder hatten sie ihre Mobiltelefone ausgeschaltet, oder die Signale wurden blockiert, damit das GPS-System sie nicht finden konnte. Er versuchte noch ein- mal Charlie zu erreichen. Wieder dasselbe.
Es war jetzt zehn Uhr am Vormittag. Nach seiner Schätzung waren sie seit zwei Stunden überfällig, vielleicht sogar länger. Er schob sich den nächsten Kaugummistreifen in den Mund. Zum Glück hasste er französische Zigaretten.
Sein Mobiltelefon klingelte. Er griff danach. »Hier Ward.«
»Paul, hier ist Justin.«
Warum zum Teufel rief Justin Turk ihn um diese Zeit an? In Virginia war es gerade mal fünf Uhr morgens. »Ja?«
»Ich wollte mich nur melden.«
»Hör zu, ich brauche mehr Personal.«
»Mist.«
»Eines der verdammten Viecher ist entwischt. Ich habe es nach Pa- ris verfolgt und hier verloren. Ich brauche ganz schnell mehr Leute und mehr Equipment.«
»Wie schnell?«
»Lieber gestern als heute. Ich brauche mindestens fünf zusätzliche Feldoffiziere.«
»Ich kann dir nicht ständig neue Leute abstellen. Du weißt, welche Probleme wir hier haben.«
»Mir entwischt ein Vampir. Ein reisender Vampir, Herrgott noch mal!« »Es dauert Wochen, bis ich dir neue Leute schicken kann. Sie müs- sen diverse Sicherheitstests machen und gründlich eingearbeitet wer- den, das volle Programm eben. Selbst wenn ich nicht den Direktor am Hacken hätte. Aber genau das ist der Fall, wie du weißt.«
»Dann gestatte wenigstens meinen Leuten in Kuala Lumpur, mir nach Paris zu folgen.«
»Unmöglich.«
»Komm schon, ein bisschen Hilfestellung musst du mir schon ge- ben.«
»Die gesamte Operation steht kurz vor dem Abbruch. Bis ich neue Befehle erhalte, kann ich nichts für dich tun.«
Das waren beschissene Neuigkeiten. »Ich brauche meine Leute, Mann. Sonst geht uns dieser Vampir endgültig durch die Lappen.« »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Kling bloß nicht zu überzeugend.«
Nach dem üblichen Abschiedsgestammel war das Gespräch been- det. Justin Turk war eine Art Freund. Das hieß, er war für Paul da, so lange dieser keine Belastung darstellte.
Eines stand offenbar fest: Er würde keine neuen Leute bekommen, weil sich plötzlich irgendwelche Menschenrechtsorganisationen über die Operation beschwerten.
Er sah schon, wie jemand in einen tiefen dunklen Schacht geworfen wurde, und dieser jemand war er.
Er hämmerte Beckys Nummer in sein Mobiltelefon, danach Charlies. Dieselben Ergebnisse wie zuvor. »Ich habe ein Problem«, murmelte er gedankenverloren.
Trotzdem, es war immer noch möglich, dass es den beiden gut ging. Er konnte nur hoffen, dass sie sich bei dem Einbruch an die Standard- prozedur gehalten hatten. Es würde einen Riesenskandal geben, wenn die Franzosen herausfänden, dass CIA-Leute in das Zentralarchiv der Polizeipräfektur eingebrochen waren und in ihren Berichten herumge- schnüffelt hatten. Man würde ihn umgehend von der Operation abzie- hen. Er würde erklären müssen, was er in Frankreich tat und wie er sich hatte herausnehmen können, im Privatjet eines Luftwaffengene- rals herzudüsen.
Er setzte sich hin, starrte auf die im Sonnenschein glitzernde Fassade des Büroturms und lauschte dem tropfenden Wasserhahn. Er sah auf die Uhr. »Zehn vor elf«, murmelte er. »Verdammt. Verdammt. Verdammt.«
Er beschloss, die Wartezeit zu nutzen. Eine Situation wie diese konnte jeden Augenblick eskalieren. Auf die Sureté und auf das Weiße Haus war er vorbereitet. Aber es galt, sich auf das wirkliche Problem vorzubereiten – auf die Vampire. Und
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