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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Hexe stand auf, setzte sich rasch wieder hin und stand dann mit Hilfe ihres Besens aufs neue auf.
    Â»Warum haben Sie es getan?«, fragte die Gastgeberin energisch.
    Die Hexe zuckte die Achseln. »Zum Spaß? Vielleicht ist das Böse eine Kunstform.« Doch während sie zur Tür torkelte, setzte sie hinzu: »Wisst ihr was, ihr seid allesamt Dummköpfe. Ihr hättet mich anzeigen sollen, statt mich den ganzen Abend zu unterhalten.«
    Â»Du hast uns unterhalten«, sagte Avaric galant. »Dies wird als die Tischgesellschaft des Jahres in die Geschichte eingehen. Selbst wenn du uns den ganzen Abend mit der Ermordung dieser alten Rektorin belogen hast. Ein Vergnügen sondergleichen.« Die Gäste applaudierten ihr artig.
    Â»In Wahrheit«, sagte die Hexe an der Tür, »ist das Böse nichts von alledem, was ihr gesagt habt. Ihr kapriziert euch auf eine Seite – die menschliche Seite, sagen wir mal –, und die ewige Seite bleibt im Schatten. Oder umgekehrt. Es ist wie die alte Rätselfrage: Wie sieht ein Drache im Ei aus? Das kann natürlich niemand beantworten, denn wenn man die Schale zerbricht, um nachzusehen, ist der Drache ja schon nicht mehr im Ei. Das Dilemma, in dem alle Aufklärungsversuche stecken, ist, dass das Böse seinem Wesen nach geheim ist.«
    8
    Der Mond stand wieder hoch am Himmel, war aber nicht ganz so rund wie in der Nacht zuvor. Die Hexe traute sich nicht, auf dem Besen zu reiten, und schwankte daher im Zickzack über die Rasenfläche. Sie wollte sich irgendwo abseits der feinen Gesellschaft und ihrer drückenden Atmosphäre schlafen legen.
    Sie stieß auf den Jahrmarktsaufbau, von dem Avaric gesprochenhatte. Es war ein altes, frühes Tiktakding, eine hohe transportable Bühne aus Holz mit so vielen und mannigfachen Figürchen daran, dass die Hexe sie in dieser Nacht nicht mehr alle wahrnehmen konnte. Vielleicht gab es ja ein Trittbrett, auf dem sie schlafen konnte, eine ebene Fläche ein kleines Stück über dem feuchten Boden. Sie spähte prüfend und trat näher.
    Â»Wo willst du denn hin?«
    Ein Munchkin, nein, ein Zwerg hatte sich vor ihr aufgebaut. Er hielt in der einen Hand einen Knüppel und schlug sich damit leicht in die andere dicke, lederige Pranke.
    Â»Zum Schlafen, wenn’s geht«, sagte sie. »Du bist also der Zwerg, und das ist das Ding, von dem Avaric gesprochen hat.«
    Â»Die Uhr des Zeitdrachens. Geöffnet ab morgen Abend und vorher nicht.«
    Â»Morgen Abend bin ich tot und begraben«, sagte sie.
    Â»Nein, bist du nicht«, widersprach er.
    Â»Dann über alle Berge.« Sie betrachtete die Uhr, und plötzlich fiel ihr etwas ein. »Ich wüsste gern, woher du Schackel kennst«, sagte sie.
    Â»Ach, Schackel«, sagte er. »Wer kennt Schackel nicht? Das ist nichts Besonderes.«
    Â»Wurde sie heute umgebracht?«, fragte die Hexe. »Zufälligerweise?«
    Â»Weder zufällig noch sonst wie.«
    Â»Wer bist du?« Nach dem Übermaß des Leids und der Gewalt in letzter Zeit hatte sie auf einmal Angst.
    Â»Der Kleinste und Unbedeutendste«, antwortete er.
    Â»Für wen arbeitest du?«
    Â»Für wen habe ich noch nicht gearbeitet? Der Teufel ist ein sehr großer Engel, aber ein sehr kleiner Mensch. Ich habe in dieser Welt keinen Namen, also kümmere dich gar nicht um mich.«
    Â»Ich bin betrunken und durcheinander«, sagte sie. »Ich kann keine Rätsel mehr lösen. Ich habe heute jemanden umgebracht, und dich kann ich auch umbringen.«
    Â»Du hast sie nicht umgebracht, sie war schon tot«, erwiderte der Zwerg unbeeindruckt. »Und mich kannst du nicht umbringen, dennich bin nicht sterblich. Aber du mühst dich sehr mit dem Leben ab, und darum will ich dir etwas erzählen. Ich bin der Hüter des Buches, und ich wurde in dieses furchtbare, trostlose Land versetzt, um über die Geschicke des Buches zu wachen und dafür zu sorgen, dass es nicht wieder dorthin gelangt, wo es herkommt. Ich bin nicht gut, ich bin nicht böse, aber ich bin hier eingesperrt und dazu verurteilt, das Buch bis in alle Ewigkeit zu hüten. Es interessiert mich nicht, was mit dir oder sonst jemandem geschieht, aber ich schütze das Buch: Das ist meine Aufgabe.«
    Â»Das Buch?« Sie verstand nicht recht; je mehr sie hörte, umso betrunkener fühlte sie sich.
    Â»Du nennst es das Grimorium. Es hat noch andere Namen –

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