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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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eine heftige Verrenkung und riß sich von der Eichentäfelung los. Krachend fiel es auf den Fußboden, und die Studenten kreischten und lachten, vor allem weil Doktor Nikidik über den Grund des Aufruhrs eine Weile gar nicht im Bilde war. Als er sich umdrehte, sah er gerade noch, wie das Geweih sich aufrichtete und zitternd und zuckend auf dem Podium verharrte wie ein aufgestachelter Kampfhahn, der darauf brannte, in den Ring zu kommen.
    Â»Herrje, schau nicht mich an«, sagte Doktor Nikidik, während er seine Bücher zusammenraffte. »Von dir habe ich überhaupt nichts gewollt. Gib dem da die Schuld, wenn es sein muss.« Dabei deutete er auf den winkischen Studenten, der sich so erschrocken zusammenkauerte, dass die zynischeren unter den älteren Studenten ein abgekartetes Spiel vermuteten.
    Das Geweih stellte sich auf die Sprossen und flitzte krebsartig los. Mit einem Schrei wie aus einem Mund sprangen die Studenten von den Sitzen, als das Geweih an dem Jungen aus dem Winkus emporkrabbelte und ihn an die verschlossene Tür drückte. Eine Geweihstange klemmte ihm mit der äußersten Gabel den Hals ein, während die andere nach hinten ausholte, um ihm ins Gesicht zu stechen.
    Doktor Nikidik fiel bei dem Versuch, schnell zu Hilfe zu eilen, auf seine arthritischen Knie, doch bevor er sich aufrappeln konnte, waren schon zwei Jungen aus der ersten Reihe auf die Bühne gesprungen, packten das Geweih und rangen es zu Boden. Der Junge aus dem Winkus schrie etwas in einer fremden Sprache. »Das sind Krapp und Timmel!«, sagte Boq und stieß Elphaba an die Schulter. »Sieh nur!« Die Studenten sprangen alle auf ihre Sitze und schauten gebannt zu, wie Krapp und Timmel im Kampf mit dem mörderischen Geweih die Oberhand gewannen und sie verloren und sie wieder gewannen, bis es ihnen schließlich gelang, eine der stechwütigen Sprossen abzubrechen, dann die nächste, und die immer noch zuckenden Stücke, ihrer Triebkraft beraubt, zu Boden fielen.
    Â»Der arme Kerl«, sagte Boq, denn der winkische Student lag zusammengekrümmt da und weinte hemmungslos hinter seinen blau tätowierten Händen. »Das ist der erste Student aus dem Winkus, den ich sehe. Was für eine schreckliche Begrüßung in Shiz.«
    Der Angriff auf den winkischen Studenten gab den Anstoß zu allerlei Gerede und Spekulationen. In der Zaubereivorlesung am nächsten Tag bat Glinda Frau Gräuling um eine Erklärung. »Wie kommt es, dass Doktor Nikidiks Extrakt biologischer Intention, oder wie es sonst heißt, in der Biowissenschaft durchgenommen wird, wenn das Zeug doch wie ein mächtiger Zauber wirkt? Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Wissenschaft und Zauberei?«
    Â»Tja«, sagte Frau Gräuling und fühlte sich bemüßigt, gerade diesen Moment der Pflege ihrer Frisur zu widmen, »die Wissenschaft, meine Lieben, ist die systematische Zergliederung der Natur mit dem Ziel, sie auf ihre Bestandteile zu reduzieren, die im Großen und Ganzen universellen Gesetzen gehorchen. Die Zauberei wirkt in der Gegenrichtung. Sie zerpflückt nicht, sie ergänzt. Sie ist Synthese, nicht Analyse. Sie schafft etwas Neues, statt das Alte durchschaubar zu machen. In den Händen des echten Könners«, bei diesen Worten stach sie sich mit einer Haarnadel und jaulte auf, »ist sie eine Kunst. Man könnte sie als die höchste, dieedelste Kunst bezeichnen. Sie geht über die schönen Künste der Malerei, des Schauspiels und der Dichtung hinaus. Ihr geht es nicht um die Darstellung der Welt, sondern um ihr tatsächliches Werden. Ein sehr edler Beruf.« Sie fing leise zu weinen an, überwältigt von ihren eigenen Worten. »Kann es ein höheres Streben geben, als die Welt zu verwandeln? Sich nicht mit utopischen Entwürfen zu begnügen, sondern reale Veränderungen vorzunehmen? Das Verformte neuzubilden, das Verfehlte zu berichtigen, die Spielräume dieser verpfuschten Welt auszunutzen? Sie durch Zauberei weiterzuentwickeln?«
    Beim Tee gab die immer noch beeindruckte und belustigte Glinda den beiden Schwestern Thropp Frau Gräulings kleine tiefempfundene Ansprache wieder. Nessarose sagte: »Nur der Namenlose Gott erschafft und gestaltet die Welt, Glinda. Wenn Frau Gräuling Zauberei mit Schöpfung verwechselt, besteht die große Gefahr, dass sie euch moralisch verdirbt.«
    Â»Na ja.« Glinda musste daran denken, dass Muhme

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