Wickelkontakt - Roman
schlafen und ich nicht? Und warum erwarten alle von mir, dass sie jetzt gleich das Baby zu sehen bekommen? Darf ich nicht erst mal zur Ruhe kommen, oder wenn doch, wann? Wann passe ich wieder in meine alten Sachen, sprich, wann hab ich diese verflixten zwanzig Kilo wieder runter?
So viele Fragen und keine einzige Antwort. Um nicht weiter grübeln zu müssen, nehme ich mir ein Beispiel an meiner Tochter und falle endlich in tiefen, festen Schlaf.
2
Da stand ich nun vorm Spiegel, und wo ich sonst immer dachte: » Na, du arme dicke Wurst, kein Wunder, dass du keinen Typen abkriegst«, war ich heute einfach nur von mir begeistert: Die neue Jeans mit Schlag saß perfekt, das schwarze Trägershirt mit dem tiefen Ausschnitt betonte alles, was es betonen sollte, und die petrolfarbene Kapuzenjacke sah lässig aus. Ich drehte mich vorm Spiegel, den ich vorsorglich an die Wand gelehnt hatte– was ja immer schlanker macht, als wenn er gerade steht–, und bewunderte mich ein bisschen. Dabei murmelte ich vor mich hin: » Oberflächlichkeit, dein Name ist Sophie.« Und mein selbstverliebtes Ich antwortete: » Ja, das stimmt, aber lass mich doch, ich sehe heute wirklich fantastisch aus!« Ich streckte meinem Spiegelbild die Zunge raus. Der Liebeskummer wegen meiner letzten Fast-Beziehung hatte sich absolut gelohnt: Acht Kilo in nur vier Wochen! Eine Diät zum Weiterempfehlen! Und dazu die Erkenntnis: » Es geht auch ohne Typen!« Ob das wirklich stimmte, wollte ich jetzt ausprobieren.
Nur gucken, nicht flirten, vor allem, nicht knutschen, und bitte, bitte, bitte niemanden mit nach Hause nehmen! Aus solchen Geschichten wird eh nichts– und bestimmt nicht die romantische » Große Liebe«. Wenn sich auch sonst nicht viel ergeben hat– wenigstens das hatte ich in drei Jahren erfolglosen Singledaseins gelernt. Dabei fragte ich mich, warum ich eigentlich keinen Mann auf » normalem« Weg kennenlernen konnte. Zum Beispiel beim Einkaufen ( » Welchen Wein könnten Sie mir denn empfehlen? Wimperklimper), oder über eine Freundin ( » Du, das ist der Frank, der sucht die Frau fürs Leben«– und drei Wochen später läuten die Hochzeitsglocken) oder beim Grillen an der Elbe, vielleicht auch mal ohne furchtbar besoffen zu sein. ( » Willsu auch noch ’ne Wuäss?«)
Ich wusste einfach nicht, warum es bei mir nicht klappte, vermutete aber stark, dass es irgendwas mit meinem durch massive Enttäuschungen angeknacksten Selbstwertgefühl zu tun haben musste– wie auch immer, damit musste Schluss sein. » Heute wird gefeiert, aber ohne Typen!«, nahm ich mir vor. Und ohne Alkohol. Prost!
Keine drei Stunden, nachdem ich diese guten Vorsätze gefasst hatte, war ich schon total voll. Gott, dieser Abend war aber auch langweilig. Das lag nicht an Mona, in deren Wohnung wir uns zum Essen trafen, sondern an unserer Kollegin Rike, die ebenfalls eingeladen war. Rike war Praktikantin bei Hanseradio, dem Sender, in dem wir arbeiteten. Ich als Volontärin, Mona als Musikredakteurin.
Obwohl ich mich noch als angehende Moderatorin behaupten musste, wusste ich doch, was ich wollte: Nach meinem » Volo« als Moderatorin mit einer eigenen festen Sendung übernommen werden oder mich einfach bei einem anderen Sender bewerben, wo ich auch gleich eine feste Sendung bekommen sollte.
Ich rechnete mir auch gar nicht so schlechte Chancen aus, meine Träume zu verwirklichen, weil ich alles in allem eigentlich immer pünktlich, fleißig und zuverlässig war. Okay, außer an den Tagen, an denen ich verschlief– was wegen der völlig unzumutbaren Arbeitszeiten von fünf bis zwölf Uhr eben häufiger vorkam– oder an den Tagen, an denen ich üble Regelschmerzen hatte und lieber mit meiner Wärmflasche kuschelte. Oder wenn es regnete, dann verließ ich auch nur ungern das Haus. Aber wie gesagt, ansonsten war ich pünktlich, fleißig und zuverlässig. Und was wohl mein absoluter Pluspunkt war: Meine Stimme brachte mir zahlreiche Hörer und einige nette E-Mails ein. Warum auch immer! Ich fand mich nicht besonders sexy, kam aber wohl so rüber. Ein Kollege aus der Verwaltung hatte mir im Vorbeigehen auf dem Flur sogar mal zugeflüstert, dass er immer weiche Knie bekam, wenn er mich moderieren hörte. Na ja, gut, meinetwegen. Stand ihm ja frei.
Mona hatte in ihrer Dreizimmeraltbauwohnung in Ottensen richtig schick gekocht und den Tisch aufwendig gedeckt, es gab schwarze Nudeln mit Scampi, Silberbesteck und rosa Hyazinthen auf dem weißen Tischtuch. Obwohl Mona
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