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Wider die Unendlichkeit

Wider die Unendlichkeit

Titel: Wider die Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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hatte: einen doppelläufigen Fächerlaser, der in Sidon bei Konstruktionsarbeiten eingesetzt wurde. Er hatte ihn erst einmal auf einen Felsblock abgefeuert, um sich mit dem Rückstoß vertraut zu machen und um zu prüfen, ob er – wie der Colonel gesagt hatte – ein wenig nach links zog.
    Sie marschierten zwei Klicks, bis die Schlucht in ein schräges Eisfeld auslief, das mit rotgrauen Felsen übersät war. Old Matt sagte: »Keinen Zweck, weiterzugehen. Hier trennen wir uns.«
    »Wieso? Ist es nicht sicherer, wenn wir zusammen …«
    »Das hat nichts mit sicher oder nichtsicher zu tun. Es holt sich zwei genauso leicht wie einen. Du gehst nahe an der Klamm, dort, wo das Eis purpurrot wird. Bleib mit dem Rücken zur Klamm! Nicht sehr wahrscheinlich, daß es von dort kommt. Es müßte in der Klamm selbst herauskommen, und warum sollte es sich die Mühe machen, wenn hier oben weicheres Material ist?«
    »In Ordnung.« Der Junge wog den Laser in der Hand.
    »Ich werde ein paar hundert Meter weiter oben sein. Auf diese Weise bekommen wir es wahrscheinlich aus zwei Blickwinkeln zu sehen.«
    »Und wenn einer von uns verletzt wird, wird der andere vermutlich verschont bleiben.«
    »Ja.« Der alte Mann musterte ihn eingehend, blinzelte mit dem Kupferauge und lächelte. »Stell auch den Nahbereichsfunk aus. Manchmal gibt das Aleph eine Menge elektromagnetisches Zeugs ab. Nur Geräusche, sagen die Wissenschaftler. Aber sie werden dein Gerät überladen.«
    »Okay.«
    »Und bleib still!«
    »Und Slicky?«
    »Er ist ein Tümmler. Die falschen Instinkte für diese Sache, ganz gleich, was sie darüber erzählen, daß die IQ-Anregung sie alle gleich macht.«
    »Er kann es ablenken.«
    »Irgendwie glaube ich, das tun wir alle – es ablenken. Bestenfalls. In Ordnung …« Er bückte sich und wies Slicky an, eine Position unterhalb von ihnen beiden einzunehmen.
    Die erste Stunde gefiel Manuel. Sie verschaffte ihm eine Ruhepause, und er gewöhnte sich an die völlige Stille. Ein gelegentliches leises Ping erklang, wenn ein Staubkorn, das aus einem unrunden Orbit um den Jupiter herabfiel, auf seinen Anzug traf. Die endlos anstürmenden hochenergetischen Protonen jedoch konnten ihn nicht erreichen, das verhinderten die dichten Magnetfelder, die seinen Anzug umhüllten, die superleitenden Spulen, die mit ihren ewigen Strömen den tödlichen Hagel ableiteten. Old Matt hatte ihn gelehrt, wie seine Bewegungen im eisenhaltigen Fels in der Nähe Magnetwellen erzeugten, schwache Bewegungen, die das Aleph aufgreifen konnte, und deshalb stand er absolut still. Ganymed schwenkte jetzt mehr in die Sonne, und während er wartete, kam die Morgendämmerung mit unendlicher Langsamkeit, erhellte allmählich die blauen Schneewehen und schob die Schatten zurück. Über ihm absorbierte der dunkle Himmel alles. In dieser Höhe hatte die vom Menschen und seinen Maschinen geschaffene Atmosphäre keinerlei Auswirkung, und das Land war, wie es seit Milliarden von Jahren gewesen war, träge und kalt, jenseits von jeglicher menschlicher Empfindungskraft, aber mit langsamen, unausweichlichen Kräften, die Berge aufwarfen und das Eis marterten. Es war jetzt die dritte Stunde, und er wurde müde, obschon er seine Knieservos auf Dauerbetrieb hatte und kein Gewicht trug. Der Junge fühlte, daß er das Energiepotential im Fels unter sich und die Kräfte, die es selbst in dieser Höhe ausstrahlte, spüren konnte.
    Nur langsam wurde ihm bewußt, daß das Beben und der stumme Druck nicht seinem Denken entsprangen, sondern real und stetig waren. Er blinzelte. Das Felsgestein hob sich, verschob sich. Old Matt war eine weit entfernte Gestalt, schon lange mit dem Gelände verschmolzen, aber jetzt winkte sie und zeigte auf die Wölbung, die in dem Eismantel aufwuchs. Slicky bewegte sich nervös, setzte einen Fuß vor und einen anderen zurück, als der erste Spalt sich auftat, eine gezackte Linie, die sich schnell durch das Purpureis zog und sich gleichzeitig weitete. Schnee fiel hinein, dann ein zweiter Spalt, ein dritter. Felsgestein stöhnte unter ihm, und er hob den Laser, aber es gab nichts, auf das er hätte zielen können. Das Land hatte sich jetzt einen vollen Meter gehoben. Geröll und Felsbrocken begannen zu rollen, langsam zuerst und dann schneller. Krachend stürzten sie abwärts, zersplitterten Eis. Einige fielen in das stetig wachsende Netz aus Rissen und Spalten, die sich immer weiter verästelten. Wie Keile stürzten Felsstücke in die Fugen und blieben

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