Wider die Unendlichkeit
aus. »Vor vier Jahren hat ein Wissenschaftler aus Hiruko nahe des Schwanzes eine eigentümlich keilförmige Struktur gefunden. Mit Neutronen bestrahlt gab sie einen hohen Rückfluß ab. Eine Anwendung der Resonanzabsorption – bei der hochenergetische Neutronen verwendet werden – ließ die Struktur zusammenbrechen. Das ganze Objekt breitete sich aus. Wie auf Kommando.«
Manuel runzelte die Stirn. »Dachte schon, daß es massiger wirkt.«
Piet hob einen behandschuhten Finger. »Das ist der Punkt. Es wurde breiter – die großen Blöcke krachten aufs Eis –, aber soweit wir erkennen können, hat das Nettovolumen des Dings nicht zugenommen.«
»Aha. Und?«
»Die Hiruko-Leute wagten sich hinein. Nicht weit – aber sie fanden einiges heraus.«
»Genug, um Sie dazu zu bringen, von der Erde hierherzukommen.«
Piet nickte. »Ja. Mehr als genug.« Er streckte den Arm zu einer Öffnung in dem Gerüstwerk. »Kommen Sie herein! Gerade Sie sollten es.«
Sie bückten sich, um die Einfassung passieren zu können. »Sie wollten die ganze Zeit, daß ich hier herauskomme«, sagte Manuel. Er war noch immer verwirrt und unsicher, und doch … und doch … wie sehr er dem Mann auch mißtraute, Piet Arnold schien ein Gefühl für das Ding zu haben, das er bei Major Sánchez oder Petrowitsch, nicht einmal bei seinem Vater gefunden hatte.
Bei diesem Gedanken hielt er unvermittelt inne. Sein Vater – und aus einem versteckten Winkel begann eine Gefühlsaufwallung, die ihn überrumpelte, ihm die Luft nahm. Emotionen wirbelten in ihm, löschten die Gegenwart aus. Kummer und zugleich mehr als Kummer, ein gähnender Abgrund aus Verlust und verfehlter Gelegenheit, die nicht wiedergutzumachen war, ein Gefühl des Vergehens, endgültiger Bewegung …
Er schluckte, verriet sich nicht, sondern ging weiter, der gebückten Gestalt vor ihm folgend.
Sie gelangten durch eine keilförmige Öffnung, die aus zwei gewaltigen Alabasterblöcken gebildet wurde. Ein Leuchten kreiste in den Blöcken, warf Schatten auf seine straffe, gebräunte Gesichtshaut. Seine Stiefel bohrten sich ins Eis.
»Verdammt groß«, sagte er überflüssigerweise.
»Sie müssen’s wissen«, entgegnete Piet, der sich lächelnd umwandte.
Sie kamen in eine aus Sechsecken geformte Kammer. Wie Glimmer funkelte hier das Licht aus sich bewegenden Scheiben. Auf dem Eisboden waren die Geräte ausgebreitet. Sonden saßen auf den glatten Oberflächen des Raums. Meßgeräte und Analysatoren registrierten auf blauen und grünen Skalen Daten.
»Hier haben wir eine gründliche Untersuchung durchgeführt.
Natürlich waren die Hiruko-Daten von grundlegender Bedeutung. Wir wußten, auf was wir uns vorbereiten mußten. Dadurch haben nur ein paar Tage ausgeklügelter Beobachtung die Resultate bestätigt. Und zahlreiche neue hinzugefügt.«
»Aha.« Manuel hatte die Arme verschränkt, schaute in die vagen Muster, die sich in den tiefen Scheiben des Dings formten.
»Es ist – in gewissem Sinn – schierer Stein. Die Netzstruktur nahe der Oberfläche bestätigt das … Aber darunter …«
Piet betätigte einen Hebel, und der abgegriffene Stein schien sich für Manuel abzuschälen, um ein gesprenkeltes Muster freizulegen.
»Darunter stellt es sich ständig neu her. Die Molekularzusammensetzung verändert sich. Die Blöcke sind stets mechanisch fest, gewiß – aber ständig im Fluß. Neue Verbindungen, neue Gitterstrukturen. Der grundlegende kristalline Aufbau ist keiner der üblichen. Ein unfertiges, sich verschiebendes Ding aus Flächen und Winkeln.«
»Eine Maschine, die ihre eigenen Teile herstellt?« Manuel zuckte die Achseln. »Und?«
»Die ihre eigene Molekularstruktur überarbeitet! Und wäre es nur das, vielleicht hätten Sie recht – eine ausgeklügelte Maschine, eine fortgeschrittene Technologie könnte das sehr wohl. Aber die Molekularformen, die wir gefunden haben, ordnen sich neu, weil die Atomstruktur sich verändert. Und die Atome verändern sich, weil die Partikel sich ständig verschieben und ihre Identität ändern. Das ist es – die ständige Umwandlung von Materie in Formen, wie etwas, das sich rastlos selbst erneuert, auf immer unzufrieden …«
Piet unterbrach sich. »Ich sehe, solche Entdeckungen langweilen Sie. Vielleicht ist es das beste, Sie einfach Zeuge werden zu lassen.« Mit einer Handbewegung dämpfte er das Licht der Meßgeräte, und die Wände gewannen neues Leben. Manuel konnte die veränderten Lichter hinter der steinernen Oberfläche jetzt
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