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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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nicht gerecht.
    Selbst meine eigene Frau schert sich nicht mehr um mich, dachte Matei verdrießlich. Ioan lag noch immer im Bett, obwohl sie wußte, welchen Wert er auf ein gutes Frühstück legte. Sie war nicht etwa krank – sie hatte ihm einfach nur gesagt: »Mach dir selbst was zu essen!« Und so war Matei losgeschlurft und hatte sich Tee gekocht, der nun kalt vor ihm stand. Er griff nach dem Messer, schnitt ein Stück vom Brot ab, biß hinein – und spuckte es sofort wieder aus.
    Trocken und muffig!
    Er ballte die Hand zur Faust und schlug auf den Tisch. Jetzt ist das Maß voll! Mit dem Messer in der Hand marschier te er ins Schleifzimmer und blieb neben dem Bett stehen.
    »Das Brot ist schimmlig«, schimpfte er.
    »Dann back dir frisches«, lautete die gleichgültige Antwort.
    »Du bist eine miserable Ehefrau!« stieß Matei heiser hervor, und seine Finger schlossen sich um den Griff der Klinge.
    Ioan schlug die Decke zurück, richtete sich auf und maß Matei mit einem spöttischen Blick.
    »Und du bist kein richtiger Mann!«
    Stephanescu starrte schockiert auf seine Frau. Für einen Sekundenbruchteil sah er die Szene mit dem Blick eines neutralen Beobachters. Eine solche Bemerkung war ganz und gar nicht typisch für Ioan. Sie liebte ihn. Und er liebte sie. Und doch wollte er sie töten.
    Matei konnte sich nicht länger beherrschen. Mit einem jähen Satz sprang er nach vorn und stach zu. Deutlich spürte er, wie das Messer in weiches Fleisch drang, und hörte einen entsetzten, schmerzerfüllten Schrei. Und dann drehte er sich um und verließ das Zimmer. Er wandte nicht einmal den Kopf, um festzustellen, ob Ioan noch lebte.
     
    Wörmann knöpfte die Uniformjacke zu, blickte aus dem Fenster und sah den Professor und seine Tochter, die sich der Feste näherten. Einmal mehr war er mit seiner Entscheidung zufrieden, daß er die junge Frau aus dem Kastell geschickt und sie aufgefordert hatte, in der Herberge zu bleiben. Ihre Abwesenheit verhinderte weitere Auseinandersetzungen unter den Männern, und außerdem erfüllte sie seine Erwartungen, ergriff nicht die Flucht. Ich habe sie richtig eingeschätzt: Sie hängt an ihrem Vater und ist nicht bereit, ihn im Stich zu lassen.
    Während Magda den Rollstuhl über die Brücke schob, schien es zu einem Streitgespräch zwischen ihr und dem Professor gekommen zu sein. Wörmann runzelte die Stirn, als er bemerkte, daß der alte Mann keine Handschuhe trug. Vielleicht geht es ihm heute etwas besser.
    Der Major wandte sich um, verließ sein Quartier und ging die Treppe herunter. Auf dem Hof herrschte das reinste Chaos, ein Durcheinander aus Lastwagen, Generatoren und den Steinen eingerissener Mauern. Die Männer der Arbeitsgruppe machten gerade Pause und nahmen das Mittagessen ein. An diesem Tag schienen sie sich nicht besonders anzustrengen, und Wörmann verstand ihre Trägheit: In der vergangenen Nacht war niemand umgekommen; sie fühlten sich weniger bedroht und hielten es für unnötig, sich bei der Suche nach dem Versteck des Mörders besonders anzustrengen.
    Wörmann hörte Stimmen und drehte sich um. Der Professor und Magda hatten inzwischen das Tor erreicht und wechselten scharfe Worte. Man brauchte kein Rumänisch zu verstehen, um zu merken, daß sie sich stritten. Der alte Mann erweckte den Eindruck, als richte er heftige Vorwürfe an seine Tochter, doch Magda verteidigte sich. Gut so. Laß dich nicht von ihm einschüchtern. Scheint ein richtiger Tyrann zu sein: Er benutzt seine Krankheit, um dich unter Druck zu setzen.
    Seltsam: Theodor Cuza wirkte nicht mehr so gebrechlich. Seine Stimme klang fester, und die Bewegungen wirkten kraftvoller als zuvor.
    Wörmann zuckte mit den Schultern und setzte den Weg zur Essensausgabe fort. Doch schon nach wenigen Schritten zögerte er: Die dunkle Öffnung des Korridors, der zum Keller führte, erregte seine Aufmerksamkeit.
    Die Stiefel … Die verdammten, lehmverkrusteten Stiefel …
    Sie ließen ihn nicht in Ruhe und drängten sich immer wieder ins Zentrum seiner Überlegungen. Ich muß noch einmal nachsehen. Nur ein einziges Mal.
    Rasch brachte er die Stufen hinter sich und lief durch den Kellertunnel. Nur ein kurzer Abstecher, dann zurück ins Licht. Wörmann griff nach einer Lampe, die neben der Wandöffnung stand, gab sich einen inneren Ruck und betrat das kalte, dunkle Gewölbe.
    Vor dem unteren Ende der Treppe sah er drei große Ratten. Als sie ihn hörten, hoben sie die Köpfe und musterten ihn aus schwarzen Knopfaugen.

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