Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
nicht. Es geht ihm nur um rumänische Juden. Einst war er ein walachischer Fürst, und er betrachtet dieses Gebiet noch immer als seine Heimat. Nenn es Nationalismus oder Patriotismus – es spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, daß er alle Deutschen von ›walachischem Boden‹ vertreiben will und fest entschlossen ist, etwas gegen sie zu unternehmen. Das kann die Lage unseres Volkes nur verbessern. Ich habe die Absicht, ihm – und dadurch uns – zu helfen!«
Die Ausführungen klangen glaubhaft und richtig . Vielleicht waren die Beweggründe ihres Vaters tatsächlich ehrenhaft. Er hätte die Flucht ergreifen und sich und seine Tochter in Sicherheit bringen können, aber statt dessen zog er es vor, in die Feste zurückzukehren, um mehr als nur zwei Leben zu retten.
Magda wollte glauben, daß ihr Vater recht hatte, aber als sie sich an Molasars Berührung erinnerte, regte sich neuerliches Mißtrauen in ihr.
»Ich möchte nur, daß dir nichts passiert«, flüsterte sie schließlich.
»Und ich möchte, daß du eine Zukunft hast und nicht im Konzentrationslager von Ploeşti endest – zusammen mit Tausenden von anderen Juden.«
Ein Teil des wütenden Glitzerns in seinen Augen trübte sich, und die Stimme klang auch ein wenig sanfter. Theodor Cuza wirkte jetzt wieder mehr wie er selbst. »Außerdem möchte ich, daß du dich von Glenn fernhältst. Er ist nicht gut für dich.«
Magda drehte den Kopf und spähte in die Schlucht. Sie war unter keinen Umständen bereit, Glenn aufzugeben. »Ich liebe ihn.«
»Ach?«
Sie spürte die spöttische Ironie.
»Ja.« Magda sprach noch leiser, als sie hinzufügte: »Durch ihn habe ich begriffen, was das Leben bedeutet.«
»Oh, wie rührend und melodramatisch«, höhnte Cuza. »Du vergißt nur, daß er kein Jude ist!«
Magda hatte mit einem solchen Einwand gerechnet. »Das ist mir egal!« erwiderte sie und wandte sich wieder um. Deutlich spürte sie, daß ihr Vater eigentlich gar keine religi ös-moralischen Bedenken hatte. Er nutzte nur die Gelegenheit, um ihr einen weiteren Vorwurf zu machen. »Ich liebe ihn«, wiederholte sie. »Und wenn wir den Dinu-Paß verlassen, wenn dies alles vorbei ist, bleibe ich bei ihm.«
»Warten wir’s ab«, knurrte Theodor Cuza drohend. »Ich glaube, es hat keinen Sinn mehr, unser Gespräch fortzusetzen!« Er setzte sich in seinen Rollstuhl.
»Vater?«
»Bring mich zur Feste!«
Ärger und Wut entflammten in Magda. »Du bist allein gekommen, dann kannst du auch allein zurück!« Sofort bedauerte sie diese harten Worte. Noch nie zuvor hatte sie so mit ihrem Vater gesprochen. Und schlimmer noch: Er schien überhaupt keine Notiz davon zu nehmen.
»Es war dumm von mir, die Räder zu drehen und die Brücke aus eigener Kraft zu überqueren«, sagte er. »Ich konnte einfach nicht auf dich warten. Aber ich muß vorsichtiger sein und darf auf keinen Fall Verdacht erwecken. Wenn die Deutschen merken, daß ich wieder gesund bin, lassen sie mich vielleicht strenger bewachen. Also schieb mich bitte.«
Magda kam seiner Aufforderung widerstrebend nach. Als sie sich am Tor umwandte und wieder zur Herberge ging, empfand sie fast so etwas wie Erleichterung.
Zorn brodelte in Matei Stephanescu – obgleich er überhaupt nicht wußte, was ihn so wütend machte. Steif und angespannt saß er im vorderen Zimmer des kleinen Hauses am südlichen Dorfrand und starrte auf einen Becher mit Tee und den Laib Brot, der vor ihm auf dem Tisch lag. Die verschiedensten Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Und sein Unmut wuchs.
Alexandru und seine Söhne fielen ihm ein und die Münzen, die sie für ihre Arbeit in der Feste bekamen. Sie hatten ein gutes, gesichertes Einkommen – während er tagaus und tagein Ziegen durch den Paß treiben mußte, bis sie groß genug wurden, um verkauft werden zu können. Noch nie zuvor hatte er Alexandru beneidet, doch an diesem Morgen empfand er heiße Wut.
Matei dachte an seine eigenen Söhne. Er brauchte sie hier. Er war siebenundvierzig Jahre alt, doch sein Haar wurde schon grau, und seine Kraft ließ immer mehr nach. Und die Söhne? Sie hatten ihn verlassen und wohnten nun in Bukarest, weil sie hofften, dort mehr Geld zu verdienen. Sie kümmerten sich nicht um ihre Eltern. Alexandru … Für ihn gab es nicht die geringsten Probleme. Schon seit vielen Jahren arbeitete er in der Feste, zusammen mit seinen Söhnen, die irgendwann seine Nachfolge antreten würden. Ihnen fehlte es an nichts: Sie bekamen genug Geld.
Das war einfach
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