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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Wörmann schnitt eine Grimasse, zog seine Luger und entsicherte die Waffe. Die pelzigen Wesen ahnten offenbar die Gefahr und verschwanden in der Finsternis.
    Der Major hielt die Pistole schußbereit, als er sich den zugedeckten Leichen näherte. Unterwegs stieß er auf keine weiteren Ratten. Er dachte jetzt nicht mehr an die schmutzigen Stiefel, sondern nur noch daran, was die Nagetiere mit den Toten angerichtet haben mochten.
    Die Laken waren nicht verrutscht. Wörmann hob das erste an, betrachtete das bleiche Gesicht und stellte erleichtert fest, daß es keine Kratz- oder Bißspuren aufwies. Zögernd bückte er sich und berührte die kalte, harte Haut. Wahrscheinlich war das nicht einmal für Ratten appetitlich.
    Dennoch: Die ekelhaften Tiere zwangen ihn zum Handeln. Die Leichen mußten gleich am nächsten Morgen ab transportiert werden. Er hatte bereits zu lange damit gewartet.
    Als sich Wörmann aufrichtete, fiel sein Blick auf eine Hand, die unter dem Laken hervorragte. Er bückte sich erneut, um sie zurückzuschieben – und zuckte heftig zusammen.
    Die kalten Fingerspitzen … Sie waren aufgeschürft.
    Der Major verfluchte die Ratten und hielt die Lampe etwas näher. Er schauderte heftig, als er die Hand betrachtete: Sie war völlig verschmutzt, die Nägel gesplittert, die Kuppen zerfetzt.
    Wörmann fühlte Übelkeit in sich emporsteigen und erinnerte sich – er hatte schon einmal eine solche Hand gesehen, während des letzten Krieges. Ein am Kopf verwundeter Soldat, den man für tot gehalten und begraben hatte, war in seinem Sarg wieder zum Leben erwacht. Er hatte sich verzweifelt durch festes Holz und die Erde gescharrt. Trotz der übermenschlichen Anstrengungen hatte es der arme Kerl nicht geschafft, sich aus seinem Grab zu befreien – nur die Hand hatte aus dem Boden geragt.
    Die Finger … Sie sahen genauso aus wie die des Toten unter dem Laken.
    Wörmann fröstelte und ging zur Treppe zurück. Er verzichtete darauf, sich auch die andere Hand des toten Soldaten anzusehen. Er wollte den Keller so schnell wie möglich verlassen.
    Ruckartig wandte er sich um und floh nach oben – zurück ins Tageslicht.
    Magda begab sich mit der festen Absicht in ihr Zimmer, die nächsten Stunden allein zu verbringen. Sie mußte über viele Dinge nachdenken und brauchte Zeit, um mit sich selber ins reine zu kommen. Doch der Raum enthielt Erinnerungen an Glenn – der Anblick des zerwühlten Bettes lenkte sie ständig ab.
    Sie trat ans Fenster und betrachtete die Feste. Die Aura des Unheils, die sich einst auf ihre Mauern beschränkt hatte, erfüllte nun auch die Luft, die Magda atmete. Das Kastell streckte unsichtbare Tentakel des Grauens aus.
    Als sie sich abwandte, bemerkte sie das Nest. Die kleinen Vögel darin gaben nicht den geringsten Laut von sich. Magda entsann sich an ihr beständiges Zirpen und zog einen Stuhl heran, um einen Blick ins Nest werfen zu können. Sie sah vier winzige, starre Leiber, die Schnäbel noch immer weit geöffnet, die Augen glasig. Eine sonderbare Trauer erfaßte die junge Frau. Sie sprang vom Stuhl und lehnte sich verwirrt an die Wand. Was ist geschehen? dachte sie. Sind die Vögel verhungert? Irgendeiner Krankheit zum Opfer gefallen? Hat die Mutter sie einfach vergessen? Oder hat eine Katze sie gefressen?
    Plötzlich wollte Magda nicht mehr allein sein.
    Sie ging über den Flur und klopfte an Glenns Tür. Als niemand reagierte, betrat sie sein Zimmer. Leer. Sie sah aus dem Fenster, weil sie vermutete, daß der rothaarige Mann draußen den Sonnenschein genoß, doch das war nicht der Fall.
    Wo ist er?
    Sie ging ins Erdgeschoß und runzelte verwirrt die Stirn: Schmutzige Teller standen auf dem Tisch – obgleich Iulius Frau Lidia ständig für Ordnung und Sauberkeit sorgte. Magda erinnerte sich daran, daß sie kein Frühstück eingenommen hatte. Inzwischen war es Mittag, und sie hatte Hunger.
    Sie ging nach draußen und traf den Wirt. Er stand regungslos da und starrte über die Straße.
    »Guten Morgen«, grüßte Magda. »Könnte ich das Mittagessen vielleicht etwas eher bekommen?«
    Iuliu drehte sich langsam zu ihr um und musterte sie mit einer Mischung aus Hochmut und Feindseligkeit. Nach einigen Sekunden wandte er sich ab, ohne eine Antwort gegeben zu haben.
    Magda folgte seinem Blick und bemerkte mehrere Personen vor einem der kleinen Häuser.
    »Was ist denn los?« fragte sie.
    »Nichts, was für eine Außenstehende von Interesse wäre«, erwiderte Iuliu mürrisch. Gleich darauf

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