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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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McCready wartete, trat er an das riesige Fenster, das die Außenseite des Eckbüros bildete. Wenn er die Stirn an die linke Fensterscheibe legte, konnte er die Park Avenue und ihre grünen Inseln zwanzig Stockwerke unter sich sehen.
    Die Tür öffnete sich, und McCready humpelte herein. Er ließ sich in den großen gepolsterten Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen. Zurzeit sah er alles andere als gut aus. Seine Gesichtszüge waren noch schlaffer als sonst, und er musste den Kopf in den Nacken legen, um zwischen den herunterhängenden Lidern hindurchsehen zu können. Charles rechnete im Geist schnell durch: Noch sechs Monate, und er sitzt im Rollstuhl.
    Er kannte diesen Mann schon seit Jahren; er verdankte ihm seine gegenwärtige finanzielle Absicherung und eine mit viel Prestige verbundene Stellung; trotzdem konnte er nicht ein Quäntchen Mitleid für James A. McCready aufbringen. Er fragte sich, warum. Vielleicht lag es daran, dass er wusste, was diesen Mann antrieb, der mit mehr Geld geboren war, als er in zwei Leben ausgeben konnte. Er hatte den Senator in einigen seiner intimsten Momente erlebt und die nackte Machtlust durchscheinen sehen. Er war ein Mann, der Präsident werden könnte, einfach indem er sich zur Kandidatur entschied. Doch er konnte nicht kandidieren, und Charles gehörte zu den wenigen Menschen, die den Grund kannten.
    Vielleicht war es für alle das Beste. Männer wie McCready hatten Großbritannien an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht; daher war es wohl ein Glück für Charles’ Wahlheimat, dass gerade dieser Senator an einer unheilbaren Krankheit litt.
    Er setzte sich und hörte den Fragen zu: Es war immer das Gleiche. Irgendwelche neuen Entwicklungen? Irgendwelche vielversprechenden Forschungsvorhaben, die wir unterstützen können?
    Charles gab seine übliche Antwort: Nein. Die Computer der Stiftung halfen ihm, weltweit die gesamte medizinische Literatur zu verfolgen. Sobald sich etwas von geringstem Interesse für den Senator in der unbekanntesten medizinischen Zeitschrift im rückständigsten Nest zeigte, wurde es dokumentiert und ihm vorgelegt. Der Senator konnte die Informationen genauso schnell abrufen wie Charles – wahrscheinlich schneller, denn schließlich waren das seine Computer –, aber er zog ein »persönliches Gespräch« vor.
    Mit anderen Worten, er wollte von Charles die Informationen gefiltert und erklärt haben.
    Sei’s drum. Charles hielt sich sowieso diesbezüglich auf dem Laufenden. Es war ein kleiner Preis, den er für den Spielraum, der seinen Forschungsarbeiten bei der Stiftung eingeräumt wurde, zahlte.
    Die Unterhaltung lief in gewohnten Bahnen, und Charles wollte gerade aufstehen und gehen, als der Senator ein neues Thema anschnitt.
    »Welchen Eindruck hatten Sie von Dr. Alan Bulmer, als Sie ihn trafen?«
    Seine Stimme wurde immer schwächer und krächzender, je weiter der Nachmittag fortschritt.
    »Wen?« Eine Sekunde lang konnte Charles mit dem Namen nichts anfangen.
    McCready gab ihm das Stichwort. »Sie haben ihn letzten Monat auf der Party von der Nash kennengelernt.«
    »Ach, der Hausarzt! Ich habe …« Und dann wurde Charles stutzig. »Woher wissen Sie, dass ich ihn getroffen habe?«
    »Es wird über ihn geredet.«
    »Inwiefern? Das hängt doch nicht mit seiner Aussage vor dem Komitee zusammen, oder?« Charles wusste, es war nicht gut, sich mit Senator James McCready schlecht zu stellen.
    »Überhaupt nicht, überhaupt nicht. Das ist aus und vorbei, weg und vergessen. Dieser Klatsch hat was mit Heilungen zu tun. Wundersame Heilungen, so etwas.«
    Charles stöhnte innerlich. Also wieder mal: ein weiterer Versuch einer verdammten Wunderheilung.
    McCready lächelte. Es schien ihm eine Menge Mühe zu bereiten. »Aber, aber, mein geschätzter Dr. Axford – bekommen Sie ja nicht diesen zynischen Gesichtsausdruck. Sie wissen, ich gehe gern jedem dieser Gesundbeter auf den Grund. Irgendwann einmal …«
    »Bulmer ist kein Gesundbeter. Er ist ein verflucht gewöhnlicher Hausarzt. Und ich betone das Wort gewöhnlich. Sie machen uns noch beide verrückt, wenn Sie sich ständig nach einem Wunder umsehen!«
    McCready lachte. »Ich könnte Ihnen den ganzen Tag zuhören, Charles. Ich wünschte, ich hätte einen britischen Akzent.«
    Es überraschte Charles immer wieder, wie einfach Amerikaner mit einem britischen Akzent zu beeindrucken waren. Es klang für sie immer nach gehobener Klasse. Aber er wusste, dass man in London aus seinem Akzent sofort das

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