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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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Ekstase. Er gab den Druck frei und untersuchte die Wunde.
    Die Ränder des Schnitts waren zu einer dünnen roten Linie eng verschlossen. Keinerlei Anzeichen einer weiteren Blutung. Alan fühlte Triumph in sich hochsteigen …
    … und dann öffneten sich die Ränder der Wunde, und wieder floss frisches Blut.
    Er hatte nichts getan.
    »Werden Sie es mit einer Spritze betäuben?«, fragte Maria Springer.
    »Ich bin gerade dabei«, sagte Alan und schluckte die bittere Enttäuschung hinunter, als er nach der Xylocain-Flasche neben den Utensilien zum Nähen griff.
    Ein weiterer Misserfolg.
    Aber er war nicht bereit aufzugeben. Sobald er hier fertig war, würde er in sein Sprechzimmer gehen, den Fehlschlag dokumentieren und es mit dem nächsten Patienten versuchen.
     
    (Transkription eines Diktats)
     
    Montag, 12. April
    10:18 Uhr MARIE EMMETT: 58 Jahre, kaukasisch, weiblich, erhöhter Blutdruck, behandelt mit Zestoretic 20/12,5 BID; Blutdruck 136/84; Eigendiagnose: »Ich glaube, ich habe Gürtelrose«, stimmt; typischer Blasen werfender Ausschlag am rechten Oberschenkel entlang T-10; legte Hand auf Ausschlag und wünschte ihn weg, dreimaliger Versuch; keine Auswirkung; Ausschlag noch vorhanden; keine Abnahme der Schmerzwahrnehmung
     
    10:47 Uhr AMY BRISCO: 11 Jahre, Asthmatikerin; Mutter erklärt, Kind habe die ganze Nacht Atemnot gehabt; Auskultation ergibt Bronchialobstruktion im gesamten Lungenbereich, legte die rechte Hand auf ihre Brust, die linke Hand auf den Rücken und drückte, befahl dabei mental der Lunge, sich zu lösen und zu reinigen; keine Veränderung, abgesehen von irritiertem Gesichtsausdruck der Mutter; hält mich wahrscheinlich für verschroben; Atemprobleme so stark wie zuvor; übliche Therapie angewendet: 0,2 cl wässrige Epinephrin-Lösung subkutan, etcetera
     
    11:02 Uhr CHANDLER DEKKS: 66 Jahre, kaukasisch, männlich, starke beidseitige Varikosis der Unterschenkel mit deutlich fortgeschrittener Stauungsdermatitis; akute Beschwerden durch 2x2 cm großes Geschwür auf der Rückseite des linken Unterschenkels seit circa einer Woche; sorgfältige Untersuchung bei gleichzeitiger geistiger Anstrengung, das Geschwür zu heilen/verschwinden zu lassen; keine Veränderung; übliche Medikation verschrieben
     
    11:15 Uhr JOY LEIBOV: 16 Jahre, kaukasisch, weiblich; kein Termin; wurde von Vater und Bruder hereinbegleitet, nach Schulsportunfall mit Verletzung am rechten Knöchel beim Footballspiel; typische Verstauchungssymptome wie Anschwellen, Schmerzempfindlichkeit und Ekchymose im lateralen Bereich des Knöchels; legte – vorsichtig – die Hand auf den Knöchel – und wünschte das verdammte Ding weg. Keine Veränderung. Nichts!
    Das ist alles Blödsinn.
    (Ende der Abschrift)
     
    Alan schob jeden Gedanken an mystische Heilkräfte beiseite und bemühte sich, mit dem Ansturm der Patienten für den Rest des Morgens fertig zu werden. Er lag nicht schlecht in der Zeit. Um 12:30 Uhr betrat er das Untersuchungszimmer mit dem letzten Patienten des Vormittags.
    Stuart Thompson saß auf dem Rand des Untersuchungstisches und wirkte besorgt. Alan wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Stu war ein zweiundvierzig Jahre alter Bauarbeiter mit Tätowierungen an beiden Armen und einer mäßigen essenziellen Hypertonie. Ein typischer Macho, der niemals seine Gefühle zeigte, niemals eine Schwäche zugab. Wenn seine Frau ihm nicht jeden Morgen die Tabletten praktisch in seinen Mund legen und ihn zu den Untersuchungen drängen würde, wäre sein Blutdruck in all diesen Jahren unbehandelt geblieben.
    Wenn man Stuart Thompson die Besorgnis ansehen konnte, dann musste in seinem Innern wirkliche Panik herrschen.
    »Ich bin kein Weichei, Doktor, aber jemand sagte mir, das Ding an meinem Rücken sähe wie Krebs aus, und das bringt mich zum Wahnsinn. Sehen Sie es sich bitte an und sagen Sie mir, dass alles in Ordnung ist.«
    »Klar. Legen Sie sich auf den Bauch. Wir sehen uns das mal an.«
    Alan biss sich auf die Lippe, als er sah, worüber Stu redete. Es sah schlimm aus: eine blauschwärzliche krankhafte Veränderung am linken Schulterblatt, die ungefähr zwei Zentimeter groß war, mit einer unregelmäßigen Abgrenzung und ungleichmäßiger Oberfläche.
    Alans Gedanken rasten, als er sich Stuarts Rücken genauer ansah. Dieses Ding musste entfernt werden, wahrscheinlich großflächig und so schnell wie möglich. Er versuchte gerade, seine Vermutung in Worte zu kleiden, ohne dass Stus Blutdruck in schwindelnde Höhen klomm,

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