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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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werden.
    »Ruhen Sie sich jetzt ein wenig aus«, hatte Axford gesagt. Nachdem er eine halbe Zigarette geraucht und weiterhin die Luft verpestet hatte, streckte er seine Hände wieder aus. »Jetzt noch mal.«
    McCready drückte, so fest er konnte, und mit erheblicher Genugtuung sah er Axford zusammenzucken. Nach einer kurzen Pause war seine Kraft zurückgekehrt.
    »Sehen Sie«, sagte Axford und wischte seine Hände an seinem Laborkittel ab. »Myasthenia gravis. Aber um absolut sicherzugehen, machen wir ein EMG.«
    »Was ist das?«
    »Eine Nervenreizleitungsuntersuchung. In Ihrem Fall wird sich das klassische abnehmende Muster zeigen.«
    »Wo kann ich das machen lassen?« Er wollte plötzlich ganz dringend die Diagnose bestätigt oder verworfen haben.
    »Fast überall. Aber das Gerät in meiner Praxis hat den meisten Nährwert.« McCready war von dem Briten verwirrt. »Ich verstehe nicht.«
    »Die Rechnung, die ich Ihnen stellen werde«, sagte Axford mit der winzigen Spur eines Lächelns, »wird bei mir dafür sorgen, dass auch weiter das Essen auf dem Tisch steht.«
    McCready flüchtete aus Axfords Praxis, völlig überzeugt, dass dieser Mann ein Verrückter war. Aber zweite und dritte Meinungen bestätigten die Diagnose des Briten als richtig. Senator James McCready hatte einen besonders bösartigen Fall von Myasthenia gravis, von der er erfuhr, dass es sich um eine unheilbare neuromuskuläre Erkrankung handelt, die durch einen Mangel von Azetylcholin, der Substanz, die Botschaften von Nervenzellen zu Muskelzellen an ihrem Verbindungspunkt übermittelt, verursacht wird.
    Aus einem Gefühl der Loyalität heraus ging er bei Axford in Behandlung. Und das war, wie er eigentlich schon Jahre zuvor über so scheinbar noble Gesten gelernt hatte, ein Fehler. Axfords Umgang mit Patienten unterbot, was Sorge und persönliche Wärme anging, jeden Holzklotz. Axford schien sich nicht daran zu stören, wie sich die Medikamente auf seinen Patienten auswirkten – die Muskelkrämpfe, die Zuckungen, die Beklemmungen und die Schlaflosigkeit. Alles, was ihn interessierte, war ein verbessertes Ergebnis auf seinem verdammten Elektromyografen.
    Und McCready machte alles mit – wirklich alles. Er ließ sich den Thymus entfernen, wurde vollgepumpt mit Medikamenten wie Neostigmin und Mestinon, dann quoll er aufgrund von Cortison stark auf. Er unterzog sich einer Plasmapherese. Alles ohne Erfolg. Seine Erkrankung schritt langsam, aber unaufhörlich fort, egal, was Axford oder andere Ärzte mit ihm anstellten.
    Aber er hatte seine Krankheit niemals völlig akzeptiert, bis zum heutigen Tag nicht. Er hatte von Anfang an dagegen gekämpft und er würde auch nicht aufgeben. Er hatte Pläne für sein Leben und seine Karriere, die über den Senat hinausgingen. Die Myasthenia gravis drohte ihn aufzuhalten. Sie würde es nicht schaffen. Er würde einen Weg finden – über sie, um sie herum oder durch sie hindurch.
    Und zu diesem Zweck hatte er schon vor Jahren Nachforschungen über Charles Axford anstellen lassen. Er hatte herausbekommen, dass er in einer Arbeiterfamilie in London zur Welt gekommen war. Er hatte sich in seinem Medizinstudium als brillant erwiesen und als einer der Jahrgangsbesten graduiert. Jeder, der ihn aus seiner Assistenzarztzeit in der Neurologie in Manhattan kannte, hielt ihn für brillant, aber auch wenn er fachlich bewundert wurde, galt er menschlich als äußerst schwierig. Nachdem zahllose Anträge auf Forschungszuschüsse und – Stipendien abgelehnt worden waren, hatte er widerstrebend eine Praxis eröffnet, wo er vor sich hin vegetierte. Zwar war er in fachlicher Hinsicht ein Genie, aber im Umgang mit Menschen praktisch ein Idiot.
    Zu seinen Problemen kam noch hinzu, dass seine Frau ihn verlassen hatte, um »sich selbst zu finden«, und ihn mit einer chronisch kranken Tochter alleingelassen hatte.
    Charles hatte natürlich gegenüber dem Senator nie ein Wort über seine privaten Probleme verlauten lassen. McCready hatte diese Informationen über sein Presseimperium erlangt.
    Für McCready wurde klar, dass sie füreinander geschaffen waren: Axford war ein Genie in der Neurologie, und McCready hatte eine neuromuskuläre Erkrankung, die beim gegenwärtigen Stand der Medizin als unheilbar galt; Axford suchte eine Stellung in der Forschung, und McCready hatte mehr Geld, als er ausgeben konnte – der letzten Schätzung zufolge lag sein Privatvermögen bei annähernd einer Milliarde Dollar.
    Zwei Ideen wurden damals geboren.

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