Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
unmöglich, in dem Gewimmel von Leuten einen Parkplatz zu finden. Schließlich parkt Sylwia neben ein paar anderen Autos auf etwas, das ein Feld sein könnte. Hinter einem Hügel, zu dem alle unterwegs zu sein scheinen, erkennt man die Silhouette eines Schlosses.
»Kann ich nicht einfach im Auto bleiben?«, jammert Celestyna, die eindeutig genauso viel Lust auf Papst Johannes Paul II. zu haben scheint wie ich. »Ich bin müde. Und hungrig.«
Sylwia verpasst ihrer Tochter einen harten Boxhieb auf den Arm.
»Schäm dich!«, sagt sie. »Was ist das denn für ein Benehmen? Nimm dir ein Beispiel an Alicja!«
Meine Freude darüber, endlich frische Luft atmen und die Beine ausstrecken zu können, wird offensichtlich missverstanden. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, ziehe ich die Mundwinkel noch ein bisschen weiter nach oben und hoffe, dass es wirklich wie ein Lächeln für den Papst aussieht.
Vadstena quillt über von Menschen, dazu ist der Himmel genauso grau wie zu Hause, und die meisten tragen Regenmäntel und Gummistiefel. Trotzdem ist die Stimmung gut. Es ist wie bei einem ausverkauften Rockkonzert, überall sehe ich fröhlich lachende, erwartungsvolle Gesichter. Und alle wirken so jung . Gar nicht wie die uralten runzeligen Reptilien, die ich von den katholischen Messen im Fernsehen kenne.
»Werden auch irgendwelche Freunde von dir hier sein?«, fragt Sylwia, während wir uns in dem Menschenstrom in Richtung Schloss treiben lassen.
Erst glaube ich an einen Scherz, mit dem sie darauf anspielt, dass ich nicht mal katholisch bin, sondern nur mitkommen musste, weil Mutter ihr nicht zutraut, allein nach Vadstena zu finden. Übrigens käme ich, auch wenn ich katholisch wäre, niemals auf die bescheuerte Idee, nur um den Papst zu sehen durch halb Schweden zu fahren. Dann sehe ich, dass es Sylwia todernst ist.
»Nein«, sage ich. »Sie konnten nicht.«
»Wie schade!«, sagt Sylwia. »Es ist traurig, wenn man so eine Gelegenheit verpasst.«
Ich murmle irgendetwas, das sich wie eine Antwort anhören soll, und fasse es immer noch nicht, wie viele junge Menschen um uns sind. Dass es so viele junge Katholiken in Schweden gibt, ist unglaublich.
Inzwischen stehen wir in der Schlange vor einem der Tore aufs Schlossgelände. Ich sehe ein Schild über dem Eingang, und mir bleibt fast das Herz stehen. »Willkommen, junge Katholiken im Norden! Nur Mitglieder«, lese ich. Vor dem Tor sehe ich eine Frau mit einer Abhakliste. Ich drehe mich schnell zu Sylwia um, die hinter mir steht.
»Ich weiß nicht, ob wir da reinkönnen«, sage ich.
Sylwia und Celestyna sehen mich an.
»Warum denn nicht?«, fragt Sylwia.
»Es … es ist nur für Mitglieder. Mitglieder der …«
»Głupstwo« , sagt Sylwia. Blödsinn . »Die Großmutter meines ersten Mannes kommt aus Wadowice, genau wie Johannes Paul II. Sie haben dieselbe Schule besucht.« Damit ist die Sache für sie geklärt.
Jetzt sind es nur noch ein paar Menschen bis zu der Frau mit der Liste. In mir steigt innen Übelkeit auf, während mir draußen Schweißperlen den Rücken hinunterlaufen, obwohl es kalt und nieselig ist. Dann sind wir an der Reihe.
»Ihr Name«, fragt die Frau.
»Wir …«, sage ich. »Ich weiß nicht, ob wir …«
Plötzlich fühlt es sich an, als wären noch ein paar Tausend Menschen dazugekommen, die alle in der Schlange hinter uns stehen und nach vorne drängen.
»Von welchem Verein seid ihr?«, fragt die Frau.
Ich räuspere mich. Der Schweiß läuft mir jetzt in Strömen den Rücken hinunter.
»Wir sind von …« Denk nach, denk nach, denk nach! » … von der katholischen Jugend in … in Vallerup.«
»Vallerup?«, fragt die Frau und schaut mit gerunzelter Stirn in ihre Liste.
»Wir sind ein ganz kleiner Verein«, antworte ich, »aber sehr … sehr … katholisch.«
Ich möchte am liebsten sterben. Ich spüre, wie Sylwia und Celestyna ungeduldig werden. So ungeduldig wie der Rest der halben Menschheit, der durch dasselbe Tor aufs Schlossgelände will.
»Vielleicht stehen wir unter …« Ich versuche mich daran zu erinnern, was ich gerade erfunden habe. »… unter KJV.«
»V steht für Vallerup, das ist in der Nähe von Ystad. V-A-L-L-E-R-U-P«, schwalle ich die Listenfrau zu.
»Warum dauert das so lange?«, fragt Sylwia auf Polnisch und zieht mich am Ärmel.
Ich möchte nur noch sterben.
»Wir lieben den Papst wirklich sehr«, sage ich schwach.
Die Listenfrau schüttelt den Kopf.
»Und die Großmutter des ersten Mannes der Cousine
Weitere Kostenlose Bücher