Widerspruch zwecklos oder Wie man eine polnische Mutter ueberlebt
meiner Mutter …«, starte ich einen letzten verzweifelten Versuch.
Die Listenfrau schüttelt weiter den Kopf, aber jetzt schaut sie von ihrer Liste auf.
»Ich kann euch auf der Liste nicht finden«, sagt sie. »Aber geht nur rein. Leider müssen wir in eure Taschen schauen, aber dann sucht euch einfach einen Platz, von dem aus ihr ihn gut sehen könnt.«
Ich bin so dankbar, dass mir Tränen in die Augen steigen und sich mein Herz mit katholischer Wärme füllt.
»Gott segne Sie!«, sage ich zu der Frau, weil es wie etwas klingt, was liebe Katholiken zueinander sagen würden.
Meine Beine zittern noch, als wir endlich das Schlossgelände betreten. In mir brodelt es. Warum setzt Mutter mich immer wieder solchen Situationen aus? Mit einer normalen schwedischen Mutter und normalen schwedischen Verwandten wäre ich wahrscheinlich zu einem Rockkonzert gefahren oder sonst einem protestantischen Ersatz für einen Papstbesuch.
Als mein Herz wieder ruhiger zu schlagen beginnt, schaue ich mich um. Es scheint, als würden die Menschen immer mehr. Langsam werden wir im Hof des Schlosses vorwärtsgeschoben. Direkt vor uns schwenkt eine Gruppe Jungen sämtliche nordische Flaggen, als ginge das Spektakel jeden Augenblick los.
Jetzt, wo ich mich beruhigt habe, reißt mich die Stimmung von Spannung und Freude doch ein Stück weit mit. Wie es wohl ist, den Papst zu sehen? In lebensecht?
Sylwia steht neben mir und qualmt eine Zigarette. Ich wünschte mir, sie würde wenigstens jetzt damit aufhören, wo wir dem Papst so nahe sind. Ein Mann in einem grünen Regenmantel legt vorsichtig die Hand auf Sylwias Arm.
»Ich glaube, hier herrscht Rauchverbot«, sagt er freundlich.
»Tu nie wolno palić« , übersetze ich für Sylwia.
»I am Polish« , sagt Sylwia zu dem Mann und wedelt in Richtung der großen Bühne vor dem Schloss, als würde ihr die mit dem Papst geteilte Staatsangehörigkeit besondere Privilegien verleihen.
» Y es, but you are still not allowed to smoke here« , sagt der Mann.
»Are Y OU the Pope?« , blafft Sylwia und bläst ihm eine Rauchwolke ins Gesicht.
Der Mann verschwindet schnell in der Menge.
Auf der Bühne beginnt jetzt ein Kinderchor, falsch zu singen.
»Alicja?«, sagt plötzlich jemand.
Ich drehe mich um und sehe Ola Olsson. Natalies große Liebe Ola Olsson. Ola Olsson vom Landwirtschaftszweig . Der eine große schwedische Fahne in der Hand hält.
»Hallo«, sage ich verwirrt.
»Was machst du denn hier? Bist du katholisch?«, fragt Ola Olsson und lächelt breit.
Ich weiß nicht, was ich antworten soll, weil Ola Olssons Nähe mich auf einmal schrecklich nervös macht.
»Nein«, sage ich. »Oder ja. Heute.«
Ola Olsson lacht, obwohl ich es nicht als Scherz gemeint habe.
»Bist du katholisch?«, frage ich.
»Ja, aber in der Schule wissen es nicht viele. Meine beiden Eltern sind Pfarrgemeinderäte der St. Nikolaikirche in Ystad.«
»Aber …«, murmle ich, »… sind deine Eltern nicht … Bauern?«
»Ja, aber das Verbot, dass Bauern nicht Katholiken sein dürfen, ist endlich aufgehoben.«
»Wirklich?«, frage ich mit großen Augen.
Ola Olsson beginnt, lauthals zu lachen.
»Meine Eltern sind gar keine Bauern. Denkst du, alle, die den Landwirtschaftszweig gewählt haben, haben Bauern als Eltern?«
»Ja.«
Mir glühen die Wangen. Ich habe, außer wenn Natalie von ihm angefangen hat, noch keinen Gedanken an Ola Olsson verschwendet, aber seine Gegenwart hier im Schlosshof in Vadstena macht mich so nervös, dass mir die Knie zittern. Ich komme mir vor, als würde ich Natalie irgendwie verraten.
»Ihnen gehört der Buchladen am Marktplatz. Und ich hab den Landwirtschaftszweig gewählt, weil ich Pferdewirt werden will.«
»Pferdewirt?«
»Ja. Das Verbot, dass Katholiken nichts mit Pferden machen dürfen, ist auch aufgehoben.«
»Wirklich?«
Ola Olsson lacht wieder, während ich verzweifelt nach meinem Verstand suche, der hier irgendwo auf dem Boden herumliegen muss.
»Ist das deine Mutter?«, fragt Ola Olsson.
Jetzt erst fallen mir Sylwia und Celestyna ein, die neben mir stehen. Ich merke, dass Celestyna Ola Olsson anstarrt, als hätte sie der Blitz getroffen.
»Sie?«, sage ich. »Nein, das ist meine … unsere Putzfrau«, sage ich, ohne zu wissen, warum ich eigentlich lüge.
»Eure Putzfrau?«
»Ja, und Miss Pi… also ihre Tochter.«
Ola Olsson wirft mir einen seltsamen Blick zu, aber ich tue so, als bemerkte ich es nicht.
»Sie sind aus Polen«, fahre ich fort, als würde das
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