Wie angelt man sich einen Earl
gefährlich … für sein Seelenheil. Ein beängstigender Gedanke, den er rasch wieder zur Seite schob.
„Nur aus reiner Neugierde …“, murmelte Rafe, „wie viele andere Männer hast du heute Abend schon gebeten, dich zu heiraten? Ich meine nur für den Fall, dass ich mich innerlich auf einen Zweikampf unter Rivalen einstellen muss.“
„Keinen“, erwiderte Angel mit süßer Stimme und einem Blick, den er durchaus als schüchtern und sittsam interpretieren würde, hätten sie nicht schon eine Weile miteinander gesprochen. „Du bist der erste und einzige. Aber jetzt möchte ich auch etwas wissen. Was, außer natürlich meinem umwerfenden Charme, dem kein Mann widerstehen kann, hat dich dazu veranlasst, mir einen Antrag zu machen?“
Um Rafes Mundwinkel zuckte es, während er ihren platinblonden Schopf, die strahlend blauen Augen und den weichen vollen Mund sinnend betrachtete. Er wollte das alles mit einer Intensität, die ihn erschreckte. Und was das Beste war, es gab keine Fallstricke, keine üblen Überraschungen, kein böses Erwachen. Die Fakten lagen offen auf dem Tisch. Sie hatte Schulden, brauchte Geld und, wie er vermutete, die Sicherheit, dass sie nie wieder in finanzielle Schwierigkeiten kommen würde.
Er hingegen brauchte eine Frau, die keine romantischen Flausen im Kopf hatte und umworben werden wollte oder Emotionen von ihm erwartete, zu denen er nicht fähig war. Und die sie nicht einfordern konnte, wenn er sich bereit zeigte, im Voraus dafür zu bezahlen.
„Du bist seit Jahren die erste Frau, die mich als ganz normalen Mann angesprochen hat und nicht als Charity-Objekt , dem gegenüber man sich aus reiner Wohltätigkeit einen Abend lang als tapfere Märtyrerin zeigt“, sagte er ruhig. Er selbst wusste zwar, dass der Mann hinter der Monstermaske längst nicht mehr existierte – wenn es ihn überhaupt je gegeben hatte –, aber Angel ahnte davon nichts, und trotzdem behandelte sie ihn so. Wie hätte er da widerstehen können?
„Meistens werde ich gleich ausgemustert und links liegen gelassen“, fuhr er zynisch fort. „Und irgendwann muss ich schließlich heiraten. Warum dann nicht eine Frau, die keinerlei Erwartungen an mich hat?“
„Oh, wenn du dich da mal nicht täuschst! Ich erwarte schon etwas von dir“, korrigierte sie und war froh, dass er nicht ahnte, was es sie kostete, den frivolen Tonfall beizubehalten. „Allerdings bin ich sicher, dass es dich nicht überfordern wird. Im Grunde genommen brauchst du nur die notwendigen Schecks zu unterschreiben, um dir ewige Hingabe von meiner Seite zu sichern.“
Nach Rafes Erfahrung gab es nur selten Situationen, die so glatt verliefen.
„Nachdem du kein Blatt vor den Mund genommen hasst, werde ich dir jetzt meine Erwartungen an dich verraten“, sagte er brüsk und zog sie so dicht an sich, dass sie dem Anblick seiner vernarbten Gesichtshälfte unmöglich ausweichen konnte. „Ich brauche natürlich einen Erben.“
„Wie alle großen Männer“, entschlüpfte es ihr. Das klang so selbstverständlich, dass Rafe verblüfft innehielt, was Angel zum Lachen brachte. „Habe ich jedenfalls gehört oder irgendwo in einem Film gesehen …“
Das war der Moment, in dem ihm bewusst wurde, dass er diese Frau wollte und begehrte wie nichts zuvor in seinem Leben. Mehr als alles, was er sich je erträumt und erhofft hatte. Es waren ihre spürbare Stärke, ihre Fröhlichkeit, die Unabhängigkeit und Gradlinigkeit, die er hinter der frivolen Fassade erahnte.
Vor allem ist es einfach und unkompliziert, sagte er sich selbst. Die Lösung meines Problems wird mir auf dem goldenen Tablett serviert. Ich brauche nichts anderes zu tun, als es zu akzeptieren. Und ich muss fest daran glauben, dass es tatsächlich funktioniert, fügte der pragmatischere Teil in ihm sarkastisch hinzu.
Aber tief in seinem Inneren wusste er die Wahrheit. Es hatte keinen Zweck, zu leugnen. Es hatte ihn erwischt! So absurd und unrealistisch es auch war, verspürte er nicht nur sexuelle Begierde, sondern die Hoffnung, oder besser: Sehnsucht, er könnte in Angel Tilson die Frau gefunden haben, die stark genug war, es mit ihm und seinen Dämonen aufzunehmen. Und dass er sie nicht durch sein destruktives Wesen zerstörte wie alle anderen in seinem Umfeld, weil ihr Egoismus und ihre Geldgier sie davor schützen würden … vor ihm und seinem Verlangen nach ihr.
„Du bist eine absolut hinreißende Frau, darin sind wir uns bereits einig“, sagte er, „so gesehen wird es mir
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