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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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ins Bett gehen. Sie weckt ihn, dann geht es ins Schlafzimmer. Waschen, Zähne putzen. Fertig. Gute Nacht. Alltag in den eigenen vier Wänden. Noch vor ein paar Monaten ist er mit Britta einigen Einladungen gefolgt, ging es zu Freunden, ins Theater, zu einer Gala oder besuchte er die Heimspiele des FC Schalke, dann wurde es zu anstrengend für Assauer.
    »Es fällt mir seit Monaten schwerer und schwerer, andere Menschen zu treffen, solche Einladungen, die immer noch zahlreich kommen, anzunehmen. Dieses Gefühl, nicht privat, sondern in der Öffentlichkeit zu sein. Früher habe ich das ja genossen. Der rote Teppich, die Kameras – das war auch meine Welt. Wenn meine Tochter oder meine Sekretärin heute bei solchen Anlässen mit dabei sind, helfen sie mir, schirmen mich ab, mischen sich rechtzeitig ein. Und dennoch entstehen unangenehme, peinliche Momente. Ich erkenne gewisse Leute, zum Teil alte Freunde und gute Bekannte, auf den ersten Blick nicht mehr – das ist einfach nur schlimm für mich, eine Qual. Ich kann sie dann nicht direkt mit Namen ansprechen, bin unsicher. Im Grunde möchte ich in diesen Momenten nur weg. Oder wenn ich merke, dass ich Aussetzer habe, nicht sofort verstehe, um was es geht. Wenn ich das eine oder andere Wort nicht finde, die Sätze nicht richtig beenden kann. Natürlich schäme ich mich dann. Und sage lieber gar nichts. Es kann aber auch das Gegenteil passieren, wenn ich in ein Gespräch verwickelt werde und keine gute Tagesform habe. Bin ich ungeduldig mit mir und meinen Mitmenschen, sage ich etwas, was mir später leidtut, schimpfe. Dann muss ich hinterher extra betonen, dass ich das gar nicht so gemeint habe. Ich mache Sachen oder sage Dinge, von denen ich gar nichts mehr weiß später. Das macht mich kirre, das ist schrecklich.«
    In einem der zahlreichen Interviews, die er als Prominenter geben musste, wurde Rudi Assauer einmal gefragt, was ihm bestimmte Begriffe bedeuten. Als Erster auf dem Prüfstand: Bescheidenheit. Seine Antwort: » Bescheidenheit bedeutet für mich, Dinge in Demut anzunehmen.« Auge in Auge mit der Krankheit, merkt er, wie schwierig es ist, das umzusetzen. Luxus definierte er folgendermaßen: »Unabhängig den Tag einteilen zu können, Entscheidungen zu treffen.« Das war einmal. Und drittens, die Frage nach den Prioritäten des Lebens. Seine Antwort damals: »Gesundheit ist das ­Allerwichtigste im Leben.« Nun, im Angesicht der Krankheit, wirken diese Aussagen noch bitterer.
    »Denke ich über meinen Zustand und meine Krankheit nach, führt mich das immer wieder zu ein und derselben Frage zurück: Warum ich? Ich sage zu mir: Warum gerade du, Assauer? Keiner kann mir das sagen. Ich finde keine Lösung. Es gibt keine Antwort. Aber ich zermartere mir den Kopf. Ich habe doch niemandem etwas getan, bin doch ein ganz normaler Bursche. Ist es Schicksal? Wohl schon. Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passiert, hatte mich nie wirklich mit der Krankheit beschäftigt.«
    Und das, obwohl es in Assauers Familie eine Häufung von Alzheimer­erkrankungen gibt: seine Mutter Elisabeth, sein Bruder Lothar. Hautnah hat er beide Krankheitsverläufe miterlebt. Für Assauer unerträglich. Er kann sich keinen Ruck geben, kann seinen Bruder nicht besuchen. Ihn da so hilflos liegen zu sehen würde er nicht verkraften. Zu sehr kommen Bilder in ihm hoch, die ihn auch an seine Mutter denken lassen, wie sie in ihren letzten Lebensjahren eben auch an Alzheimer litt.
    »Rudi hat unsere Mutter öfter besucht«, erinnert sich seine Schwester Karin. »Damals sagte man noch: ›Ach, die gute, alte Frau ist verkalkt.‹ Als sie ihren Sohn dann nicht mehr erkannt hat, hat er sich geweigert, sie weiter zu besuchen. Diese bitteren Momente, wenn ein Kind merkt, dass ihn die eigene Mama nicht mehr erkennt, die hat er damals nicht verkraftet. Ich glaube, das hat er heute noch im Hinterkopf, das beschäftigt ihn immer noch.«
    Assauers Mutter Elisabeth starb 1981 mit 76 Jahren. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in einem Altersheim auf der Pflegestation. Sie litt unter Parkinson, konnte nicht mehr laufen.
    »Ich war damals bereit, ihr Sterbehilfe zu leisten. Ich hätte es getan, ich hätte sie davon erlöst. Sie konnte nicht mehr geheilt werden. Sie hat apathisch im Pflegeheim gelegen, es war eine Katastrophe. Ich konnte das schlecht mitansehen. Genau an dem Tag, an dem ich ein tödliches Medikament besorgen wollte, ist Mama aus dem Bett gestürzt, hat sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen

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