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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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Zwiebeln. Er nickt herausfordernd in meine Richtung: was ist? Was gibts zu glotzen?
    Kann ich Ihnen helfen?, frage ich.
    Wessen bist du?, gibt Pokor zurück.
    Ich verstehe die Frage nicht sofort, sie ist mir seit so vielen Jahren nicht mehr gestellt worden, nur langsam dämmert es mir: mit »wessen« sind meine Eltern gemeint – eine Frage, die man Kindern stellt, die sich verlaufen haben. Ich nenne den Vor- und Nachnamen meines Vaters.
    Du bist Aleksandar, oder? Er wiederholt den Vornamen meines Vaters und sagt auch den meiner Mutter, er sagt ihn zweimal, das zweite Mal ist es eine Frage. Und ich müsste sofort Ja sagen. Ich müsste ihren Namen sofort und mit fester Stimme wiederholen, müsste den schönen, arabischen Namen meiner Mutter stolz bejahen, und Pokor erklären, dass der Name Schiff bedeutet oder Frühling oder Genuss. Und ich müsste Pokor ins Gesicht sagen, es sei eine Ungeheuerlichkeit, dass Mörder in diesem Land nicht nur frei herumlaufen dürfen, sondern auch noch eine Polizeiuniform tragen. Aber ich zögere und sehe an dem Mann in seinem fleckigen Blau vorbei zu den Zwiebeln, die das ganze Auto ausfüllen. Ich zögere und schlucke und will die Frage überhört haben. Die Scham, die mir in den Hals steigt, kann ich nicht hinunterschlucken.
    Pokor schüttelt sich, als sei ihm kalt. Miki ist in der Stadt, oder?, fragt er und quetscht sich, als ich auch darauf nichts erwidere, grußlos in den für einen solchen Mann und eine solche Menge Zwiebeln viel zu kleinen Wagen.
    Ich habe Angst vor einem serbischen Polizisten, der mit »mutmaßlicher« und »es gab dafür genug Zeugen« beschrieben wird. Eine vielleicht unbegründete Angst, aber sie reicht
aus, um meine Mutter zu verleugnen vor dem kleinen Polizisten Pokor, der in den letzten zehn Jahren dreißig Kilo zugenommen hat und den jetzt Zwiebelgestank umgibt. Das letzte Netz lässt er auf dem Asphalt liegen. Und nimmt jemandem die Vorfahrt, als er in die Straße einbiegt, die – wie auch der Platz, auf dem ich vor Scham wie angewurzelt stehe – einen neuen Namen trägt. Von einem König oder von einem Helden.
     
    Ich habe Listen gemacht, aber das ist nicht der Punkt.
     
    Ich habe Listen gemacht. Mädchen. Elvira. Danijela. Jasna. Nataša. Asija. Nein, Marija, du darfst nicht mitmachen. Marija war zu jung und zu sehr Mädchen für so ziemlich alles, das wir anstellen wollten.
    Ihre Mutter öffnet mir die Tür, eine dunkelhaarige Frau mit rosigen Wangen, Marijas Locken und Mehlabdrücken auf der Kochschürze. Sie zeigt entschuldigend auf die Schürze und rennt in die Küche. Komm rein, Aleks!, ruft sie – auf Deutsch. Töpfe klappern, Öl zischt, gut schaust aus, ruft sie, d’Oma hat di ankündigt. Willst zu Marija? Die is unten.
    Ja, ich wollte mal Hallo sagen, rufe ich auf Deutsch zurück, erleichtert über die Unkompliziertheit der Begegnung.
    Die is im Keller, lugt Marijas Mutter aus der Küche. Gleich gibts Schnitzel.
    Im Erdgeschoss erschreckt mich eine Katze, sie faucht und springt, ich bleibe stehen, sie bleibt stehen und dreht sich nach mir um. Aus dem Keller dringt Musik nach oben, das Licht wirft den Schatten des Geländers an die Wand. Ich folge der grauen Katze nach unten, was macht Marija hier? Die Musik wird lauter, ich steige nicht die Stufen meiner Erinnerung zurück, ich steige in einen Keller, es ist nur ein Keller.
    Hier stritten meine Eltern.
    Hier war ich der Schnellste.
    Hier saß die verschreckte Asija.

    Hier zog ein Soldat den Gewehrlauf über die Stäbe am Geländer, klacka-klacka-klacka-klacka-klacka.
    Es ist nur ein Keller, ich habe genug Kreise geschlossen in den letzten Tagen, habe Lust auf Tauben, die nur das tun, was Tauben immer tun. Auf dem Boden liegt ein kleiner CD-Player, ich kenne die verspielten Beats: »Swayzak«.
    Swayzak, liest eine junge Frau von der anderen Seite des Raumes meine Gedanken, James Taylor habe ich in München kennen gelernt, er hat mir erzählt, egal, was er träumt, immer kommen Hunde vor und bellen ihn an. Ihm ist das so unheimlich gewesen, dass er sich irgendwann einen Dobermann angeschafft hat; mit dem hat er in einem Bett geschlafen, und die Traumhunde haben Ruh gegeben, Hallo! Sagt also Marija mit Tuchrock um die Hüften und Tuch im Haar, das ihr die Locken aus der Stirn hält. Sie reicht mir einen Spachtel, dünn wie ein Schraubenzieher, zeigt auf eine kleine Wunde am Daumen, sagt: scheiß Katze hat mich erschreckt. Marijas Augen sind im dämmrigen Licht gelbgrün, sie neigt den

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