Wie der Soldat das Grammofon repariert
auch einen für mich hinein? mach ich junge einen ganzen berg werf ich ich bin ja da.
Nena Fatima kichert. Nena Fatimas Lachen eines Jungen.
Ich versuche, so leise wie möglich zu sein, das Tor zum Garten quietscht, ich nehme an einem kleinen Tisch Platz, den es früher hier nicht gab. Das Tor gehört uns nicht, der Garten und der Tisch auch nicht. Nur das Früher gehört uns noch, Nena und mir, Sonnenblumen haben sich in ihrem Garten nach meiner Nena gedreht, wenn sie ihr Haar flocht.
Im Haus rührt sich nichts. Auch der Blick auf die Drina gehört uns nicht: am Ufer vor dem Haus schneite es im Sommer, wenn die Pappeln und die Kastanien blühten. Nena stellte sich unter die Bäume und öffnete ihr Haar. Von einer der Kastanien hing ein Seil, am Seil baumelte ein Reifen, am Reifen baumelte ein Junge, zitternd vor Kälte und Lust, der Wind säte Flocken in seinen Sprung.
Der Blick auf die Brücke gehört uns nicht. Am fünften Brückenbogen hielt ich mich am seifigen Stein fest und wurde das erste und das einzige Mal wütend auf Opa Slavko. Er zwang mich, die Bögen zu schwimmen, aber mir war zu kalt und die Strömung zu stark, ich hatte Angst und wollte ihn nicht enttäuschen. Immer weiter bin ich geschwommen, durch Bogen flussaufwärts, durch Bogen flussabwärts, bis mich die Drina mit gleichmütiger Beharrlichkeit einnahm, als gehörte ihr mein Körper. Das Licht, das durch die Wasseroberfläche bricht, von unten gesehen, ist das unheimlichste Licht, wenn es dazu hinter der Nase im Kopf zu brennen beginnt. Opa griff nach mir, dem Ausgleitenden, dem Verschwindenden, schleppte mich, den Hustenden, den Schimpfenden, auf dem Rücken zurück zum Ufer, sagte: bald bist du sieben, bis dahin musst du alle Bögen schaffen.
Die Pappeln und die Kastanien sind weg, Brennholz. Auf der blanken Böschung wühlt ein Hund im Müll. Ein Angler steht am Kanalisationsrohr und füttert die Fische mit Brot an. Opa, ich habe es niemals geschafft, aber Nena wirft für mich einen Stein ins Magma.
Aleksandar, ich weiß, wie Haut aussieht, wenn man ihren Mensch hinter einen Wagen bindet und stundenlang durch
die Stadt zieht. Hin und zurück. Zoran schreit gegen die Musik an. Erinnerst du dich an Čika Sead? Man sagt, sie haben ihn aufgespießt und wie ein Lamm gegrillt, irgendwo neben der Straße nach Sarajevo. Und wenn du dich an Čika Sead erinnerst, dann erinnerst du dich auch an Čika Hasan. Zweiundachtzig Liter Blut hat er vor dem Krieg gespendet, damit hat er immer geprahlt. Čika Hasan haben sie Tag für Tag auf die Brücke gebracht, damit er die Leichen der Hingerichteten in die Drina wirft. Hasan hat den Toten die Arme ausgebreitet, er hat ihre Körper an seinen gelehnt, er hat sie auf sich ausruhen lassen, bevor er sie losließ. Zweiundachtzig Tote hat er so in der Drina bestattet. Und als sie ihm den dreiundachtzigsten befohlen haben, ist er auf das Geländer geklettert und hat selbst die Arme ausgebreitet. Das ist alles, soll er gesagt haben, ich will nicht mehr.
Ich habe Listen gemacht. Čika Hasan und Čika Sead.
Pokor steht auf keiner Liste. Auf dem Weg zurück von Nena Fatimas Haus – 986 Schritte – treffe ich auf einen Polizisten, der ein riesiges Netz Zwiebeln durch die Tür seines Dienstwagens zu stopfen versucht. Pokor ist wieder Polizist. Ich erkenne ihn an seinem unordentlichen roten Haar, als er die Mütze im Gefecht mit den Zwiebeln abnimmt. Pokor war auch vor dem Krieg Polizist, seinen Sohn traf ich häufig beim Angeln und schwieg mit ihm hervorragend. Das Gerücht, dass Pokor aufgestiegen war – vom gemütlichen Polizisten zum Anführer gewalttätiger Freischärler –, gelangte damals sogar zu uns nach Deutschland. Man gab Pokor den Spitznamen Herr Pokolj und Herr Gemetzel soll seinen Männern mehrfach den Befehl erteilt haben, seinem Namen alle Ehre zu machen.
Herr Pokolj ist auf dem Platz der Befreiung, der heute nicht mehr so heißt, sondern den Namen eines serbischen Königs oder Helden trägt, wieder nur Pokor und steckt in der blauen Polizistenuniform. Er strengt sich an, aber das Netz passt nicht durch die Tür. Der ganze Wagen ist voll mit Zwiebeln,
Schalen blättern ab und schweben auf die Straße. Andere Autos umkurven langsam den blauen Golf, und ich bleibe stehen. Pokor stößt das Netz zu Boden und tritt mehrmals wutschnaubend dagegen. Schwer atmend sieht er sich um und zieht seine Hose hoch, die den Ansatz seiner Arschritze freigegeben hat. Auch in seinen Hosentaschen stecken
Weitere Kostenlose Bücher