Wie der Soldat das Grammofon repariert
bremsen. Bei uns gibt es zwar manchmal auch Tanpons, aber bei zu schnellen Leuten greifen die vielleicht nicht richtig, ich weiß es auch nicht.
Weil das mit der Wand jetzt geregelt wurde, gibt es bei uns SIDA und einen Stromausfall. Auf der hohen Wand, die gar nicht umgefallen aussieht, schwenken fröhliche Menschen schwarz-dunkelgrau-hellgraue Flaggen. Während die sich da oben freuen, arbeiten andere unten noch und klopfen Steinchen aus der Wand. Mein Onkel Bora sagt: die Deutschen arbeiten halt immer.
Deutschland sieht sehr verstopft aus, überall Menschen, man erkennt die Straße gar nicht mehr.
Jetzt wieder der Nachrichtensprecher mit dem ordentlichen Haar. Er sagt: Epidemie, und sagt: USA, und sagt: Geschlechtskrankheit, und sagt: in Jugoslawien weitere vier Fälle bestätigt. SIDA, sagt er und hebt eine Augenbraue. Astronauten sehen jetzt in kleine Teleskope und jemand sagt: Virus, und: Blut, und: tödlich.
Weil die Wand im besseren Deutschland umgefallen ist, kommt alles Schlimme zu uns! Auch der Stromausfall kommt zu uns – Oma erschrickt, Ton aus, der Fernseher knistert nur noch, alles schwarz. So muss es circa sein, wenn man lebt und dann auf einmal nicht mehr lebt. Man erschrickt ein bisschen und irgendjemand zündet eine Kerze an. Das macht bei uns Opa, und die Gesichter am Tisch bekommen im Kerzenlicht die Farbe gebratener Kartoffelhälften, die SIDA haben. An einem Abend lerne ich wie Wände umfallen, wie Menschen umfallen und sogar wie das Licht umfällt: immer ist eine Krankheit zuständig und dem Umfallen folgt das Verschwinden. Das bessere Deutschland ist krank geworden und verschwunden. Ich verstehe Verschwinden. SIDA ist eine stolze Krankheit, sie kennt nicht einmal Kleinbuchstaben und gibt sich nicht ab mit so etwas wie Husten und Hundestreicheln. Ihr ist unser Blut wichtig.
Ich lege mich auf den Teppich. Im Liegen kann ich nicht umfallen oder mir in den Finger schneiden und SIDA bekommen. Trotzdem warte ich, während Opa Slavko, Oma Katarina, Tante Taifun und Onkel Bora Rommé im Kerzenlicht spielen, ich warte, dass ich verschwinde.
Warum Čika Doktor jemandem die Wade aufgeschnitten hat
M otorradfahrer düsen durch Višegrad. Österreicher, Schweizer, Italiener. Die Deutschen haben die größten Maschinen. Michael fährt Kawasaki, Jürgen fährt Honda. Čika Doktor sagt: Deutschland und Japan sind immer schon gut befreundet gewesen, erinnern sich aber ungern daran.
Manchmal sitzen die auch zu zweit drauf, sie sind ganz aus Leder. Im Restaurant Mündung trinken die ledernen Motorradfahrer eine Limonade und finden unsere Flüsse gut. Čika Doktor, den wir so nennen, weil er jemandem die Wade aufgeschnitten hat, zwinkert uns zu: das ist nicht nur Limonade, was ich den Motorradfahrern ausschenke. Hat Čika Doktor keine Gäste und nichts zu tun, setzt er sich in den Hotelgarten, lässt sein Taschenmesser auf- und zuschnappen und schläft in der Sonne ein.
Wir zählen fünfzehn Motorradfahrer seit Juni, aber wir stehen auch nicht immer nur da und zählen Motorradfahrer.
Da ist etwas von mir drin, weiht uns Čika Doktor in das Geheimnis seiner Limonade ein. Er sagt nicht, welcher Teil von ihm es ist, und wir würden es den ledernen Deutschen sowieso niemals verraten können, da Wörter bei ihnen zu Hause aus ideologischen Gründen anders sind, als hier bei uns, wo niemand so ein Motorrad fährt, weil sich niemand in den komischen Lederklamotten auf die Straße trauen würde.
Edin und ich teilen uns eine Limonade beim Čika Doktor, sitzen breitbeinig da und tun so, als wären wir Deutsche. Hans kugl kluf nust lust bajern minhen danke danke. Damit Čika Doktor uns vielleicht verrät, welchen Teil von sich er immer in die deutsche Limonade macht.
Warum Vukoje Wurm mit der drei Mal gebrochenen Nase meine Nase nicht bricht
H eute hat man Tito aus den Klassenzimmern abgehängt, und Vukoje Wurm versprach, mich nach der Schule zu brechen.
Es klingelt zum Ende der letzten Stunde. Alle stürmen aus der Klasse, Vukoje zeigt auf mich und streicht mit dem Daumen quer über seinen Hals. Edin zuckt mit den Schultern. Ich stelle mich neben dich, sagt er, dann muss er auf zwei einprügeln und wird schneller müde.
Edin hat die besten Ideen.
Vukoje Wurm mit der drei Mal gebrochenen Nase wartet im Schulhof. Er ist nicht allein. Vukoje, altes Haus, wie geht es dir?, rufe ich ihm zu. Vukoje zieht seine Jacke aus, schnürt seine Stiefel, schubst mich mehrmals und fragt, ob ich lieber Tritte, Schläge
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