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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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beim Angeln alle Geräusche, die nicht vom Fluss kommen, aber das Geplapper der beiden ist lustig und braucht einen Schiedsrichter, so dass ich ständig lachen muss und um ein Urteil gebeten werde, was nicht das Schlechteste ist. Unentschieden gibt es bei mir nicht. Das würde womöglich dazu führen, dass sie aufhören und nur noch angeln, und das wollen weder sie noch ich, noch die Fische.
    Und gerade als ich gefragt werde, ob ich eher für Sead bin, der sagt, Vegetarier hätten einen an der Klatsche, oder für Hasan, der sagt: so schlimm sind die nicht und überhaupt – es ist kein Fisch ohne Gräten und kein Mensch ohne Mängel, da wird meine Pose so heftig unter Wasser gezogen, dass ich ohne nachzudenken, hart anschlage. Die Pose taucht gar nicht wieder auf, der Widerstand ist gewaltig, die Schnur spannt, und Hasan ruft: ach, du dicker … Er sieht, dass ich so einem Ruck nicht widerstehen kann, gezogen werde und ins Wasser rutsche, mich mit beiden Händen an die weit gebogene Rute klammernd. Sead greift nach der Rute, ungeschickt, die Brille fliegt ihm von der Nase und landet im Fluss. Sofort lässt er los und taucht suchend die Arme ins Wasser. Ich gebe endlich mehr Schnur, mehr Platz für das rasende Ungeheuer. Soll noch ein bisschen schwimmen können, soll erst mal noch ein bisschen schwimmen, aber gleich, mein Lieber, komme ich zu Atem.
    Ein Fisch ist in einer Geschichte immer größer als in den Händen des Anglers, der die Geschichte von dem Fisch erzählt, unterbricht Opa Slavko meine Erzählung.
    Mein Fisch ist ein Wels und jetzt genauso groß wie am Haken, leite ich in die Geschichte zurück, wie es mir Opa beigebracht hat. Dass es ein Wels ist, erkennen wir, als er sich nach einer Viertelstunde zum ersten Mal oben zeigt, mindestens zwei Meter schön! Und so kräftig wie ein Hasan und ein Aleksandar zusammen, oder ein Sead und ein Aleksandar, nie aber wie ein Hasan und ein Sead – das geht nicht, weil das sofort in einen Streit mündet, in dem die Angel vergessen wird.

    Nach einer halben Stunde habe ich immer noch nicht den Wels, der Wels aber auch nicht mich oder Sead seine Brille. Der Fisch hat uns müde gemacht, nicht wir ihn – sobald wir ihn näher ans Ufer holen, schlägt er mit dem kräftigen Schwanz, zerrt wie ein Hund rechts-links an der Schnur, taucht plötzlich ab, so dass sich die Rute gefährlich krümmt und die Schnur kurz vor dem Reißen steht. Sead ist immer schweigsamer geworden und schlägt vor, aufzugeben. Hasan ist immer redseliger geworden und zieht jetzt, da Sead aufgeben will, Hemd und Hose aus, macht fünf Kniebeugen und springt in den Fluss. Die Sonne steht hoch, es ist heiß, Hasan taucht auf. Junge, gib jetzt alles, den holen wir uns!
    Ich kurbele die Schnur ein, bis das Gewicht zu spüren ist, der Wels spürt meines, zieht nach links, diesmal nicht, ich gebe Kontra, wie weh das dem Fisch tun muss! Diesmal nicht, denkt sich auch der Wels, zieht voll in die Strömung, ich – zwei Schritte vor, den Fuß gegen einen Stein. Sead springt mir zu Hilfe, lassen Sie, sage ich und reiße an der Angel, bis sie ein C in der Luft schreibt, das ist persönlich, jetzt – oder er hat es verdient, stöhne ich. Hasan nähert sich, kraftvoll mit den Armen ausholend, der Stelle, an der die Schnur aus dem Fluss kommt. Meine Arme zittern, die Angel zittert, bei jeder Umdrehung der Spule warte ich auf das zackende Geräusch. Ich spüre mein Herz rasen, lasse keinen Zentimeter nach. Als gebe er das Zeichen für diese letzte Runde, wirft sich der Wels aus dem Fluss, gibt an mit seinen hellen Narben im schwarzen, schuppenlosen Rücken, mit seiner Sprunghöhe, mit seinen gelben, herausfordernden Augen: ich habe die Schönheit eines gelehrten Mannes, und das ist nicht der einzige Kampf, den ich gewonnen haben werde. Er rechnet mit mir und kennt jeden meiner Tricks, er rechnet aber nicht mit den verrückten Višegradern. Mit letzter Kraft halte ich ihn an der Oberfläche, alles will reißen, die Rute, die Schnur, meine Arme. Hasan taucht ein und mit ihm taucht der Fluss in eine große Stille.
    Nichts zu sehen. Kein Hasan, kein Wels. Die Schnur lockert
sich, beschreibt einen Bogen auf der Oberfläche. Vorbei, denke ich, weg. Aber mit einem Mal bricht der Wels aus, zieht wieder an, wuchtig stemmt er sich mir entgegen, überrascht mich – ich lasse nicht los, falle, schlage mit dem Kopf auf, der Griff entgleitet mir, aus meinem Kinn tropft Blut, und im Fluss, nicht weit vom Ufer in der kalten Drina,

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