Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Mitglieder, besonders die des Präsidenten, seien dem Verein zuzuordnen und prägten dessen Ziele. Da dem Täter noch Monate nach der Tat Rückhalt durch den Club geboten wurde und man dort eine Aussagestrategie entwickelt hatte, wertete das Gericht auch den späteren Vereinsaustritt des Präsidenten als strategisch motiviert, um eine verbesserte Ausgangsposition im anstehenden Verfahren zu erreichen. Auch die Existenz eines »Defense Fund«, mit dem verurteilte Mitglieder und deren Familien unterstützt werden, wertete der Vertreter des Innenministeriums nachteilig für den Verein, da er ein System darstelle, das zur Begehung von Straftaten ermutige. Das Waffenlager »paramilitärischer Dimensionen« in einer Kfz-Werkstatt belege den Willen der Hells Angels, für die Durchsetzung ihrer Ziele eine Infrastruktur außerhalb der staatlichen Ordnung zu schaffen.
Den Teil des Verbotsbescheids, der dem Verein einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorwarf, hob das Oberverwaltungsgericht als nicht nachgewiesen auf. Doch das war für die Angels nur ein Teilerfolg ohne jegliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis. Das offizielle Ende des Flensburger Charters war besiegelt, denn das Gericht ließ keine Revision gegen seine Entscheidung zu.
Die Bandidos haben vor dem OVG Klage gegen das Verbot des Chapters Neumünster eingereicht, die Verhandlung ist noch nicht terminiert. Der ehemalige Präsident Ralf B. wählte einen neuen Weg, um sich den deutschen Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Ihn zog es weiter nördlich über die offene Grenze des Schengen-Raumes nach Dänemark, wo er Mitglied eines dänischen Chapters der Bandido Nation wurde.
Während der Presseberichterstattung über das Verbot meldete sich eine Flensburger Gastwirtin, die angab, von den Hells Angels Türsteher aufgenötigt bekommen zu haben, deren überhöhte Kosten monatliche Schutzgeldzahlungen von bis zu 3000 Euro verschleiern sollten. Insgesamt habe sie eine sechsstellige Summe bezahlt. Außerdem seien diese fünf Jahre für sie sehr demütigend gewesen, da sich die Rocker, auch aus anderen Städten, regelmäßig bei ihr getroffen und die Nacht zum Tag gemacht hätten. Bezahlt hätten sie ihre Gelage nie. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Selbstständige in finanzielle Schwierigkeiten kam und die Krankenversicherung für ihre Familie nicht mehr bezahlen konnte, habe sie aus Angst alles erduldet. Dann jedoch kündigte sie den Türstehern, sprach Hausverbote aus und ging zur Polizei. An Ostern 2011 zündeten Unbekannte ihr Privathaus an, im Januar 2012 brannte ihr Auto. Die Brandstifter sind bis heute nicht ermittelt, der Schaden beläuft sich auf 80 000 Euro. Auch aus diesen Gründen sei ihr Betrieb in die Insolvenz geraten, so die Frau. Durch das Verbotsverfahren sah sie sich ermutigt, ihre Erlebnisse mit den Rockern publik zu machen und so weitere Betroffene zu veranlassen, den gleichen Schritt zu wagen.
Der Innenminister erhoffte sich einen psychologischen Effekt durch die Verbotsverfügung: »Das tut diesen Leuten weh, weil der martialische Auftritt wesentlicher Inhalt ihres kranken Verständnisses von Stolz und Macht ist«, so Minister Schlie.
Nach dem Verbot des Hamburger Charters mittels des Vereinsgesetzes im Jahr 1986 und des Düsseldorfer Charters durch Erlass des Innenministeriums NRW im Jahr 2001 war Flensburg die dritte Niederlassung der Big Red Machine in Deutschland, die einer Verbotsverfügung unterworfen wurde. Es sollte nicht das letzte Charter bleiben.
Einen Großteil ihrer Drecksarbeit in Norddeutschland hatten die Hells Angels, wie berichtet, seit einiger Zeit ausgelagert. In einigen Gebieten nannten sich diese Organisationseinheiten Brigade 81. In Schleswig-Holstein, insbesondere in Kiel, trieben die Männer fürs Grobe unter der Bezeichnung »Legion 81« ihr Unwesen. Nach zahlreichen Gewalttaten vergaben örtliche Medien eine zusätzliche Bezeichnung für die Männer der Legion 81 – sie nannten die Gruppe »die Todesschwadron der Hells Angels«.
Am 11. Mai 2011 stürmten ein Spezialeinsatzkommando und weitere Sondereinheiten der Polizei um sechs Uhr morgens 13 Wohnungen von Mitgliedern der Legion 81 in Kiel und Umgebung. Das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein warf dem bulligen und selbst unter seinen eigenen Leuten extrem gefürchteten 39-jährigen Anführer Steffen R. unter anderem vor, eine regelrechte Schreckensherrschaft über seine Männer errichtet zu haben. Aussteigewillige Legionäre soll er mit brutalen
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