Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Bandidos zusammen. Ein Großaufgebot der Polizei nahm vorläufig neun von ihnen fest, um Racheaktionen vorzubeugen. Unter den Inhaftierten befand sich auch Ralf B., 46, Präsident des Bandidos MC Neumünster.
Gleichzeitig kümmerten sich die Behörden um die wahrscheinlichen Angreifer: Starke Polizeikräfte durchsuchten Treffpunkte und Lokalitäten, die die Behörden mit den verdächtigten Hells Angels in Verbindung brachten.
Das juristische Nachspiel der Messerattacke fand am Landgericht Kiel statt. Dort wurden drei Hells Angels angeklagt, die beiden irrtümlich für Bandidos-Member gehaltenen jungen Männer mit Messerstichen verletzt zu haben. Die Aussage eines Kriminalbeamten vor Gericht, Ralf B. hätte nach der Tat sinngemäß geäußert, um die Täter kümmere man sich selbst, dementierte der Bandidos-Präsident in diesem Zusammenhang.
Die Lage in Norddeutschland eskalierte da schon längst in immer kürzeren Abständen. Erst eine Woche vor der Verhandlung hatten unbekannte Täter auf das private Wohnhaus des Chefs der Kieler Hells Angels geschossen. Und bereits zwei Monate zuvor, am 13. Januar 2010, waren Männer aus dem Milieu der Hells Angels Opfer einer Messerattacke in einem Subway-Schnellrestaurant in Neumünster geworden. Vor Gericht wichen die verletzten Rocker aus. Genaue Angaben zu ihren Angreifern oder gar deren Identität machten sie nicht.
Die Polizei schaute dem barbarischen Treiben der beiden weltweit mächtigsten Rockerclubs in Norddeutschland relativ hilflos zu. Sie zweifelt allerdings nicht daran, dass die Auseinandersetzungen sich um die Vorherrschaft im kriminellen Milieu drehten.
Nachdem sich die Polizei im hohen Norden langsam von dem Schock dieser Gewaltexzesse erholt hatte, fing das Innenministerium in Schleswig-Holstein an, seinen Fokus auf diesen neuen Bereich der Kriminalität zu legen. Beim LKA wurde die Soko »Rocker« eingerichtet und die Ermittler stürzten sich in die Arbeit. Es dauerte Monate, bis sie sich in die Szene eingearbeitet hatten und die unterschiedlichen Charter, Chapter, Supporter-Clubs, Brigaden, Legionen und X-Teams identifiziert und zugeordnet waren. Nach langwierigen Ermittlungen waren die Ermittler in der Lage, die gewalttätigsten und gefährlichsten Akteure zu benennen und dem Innenministerium Vorschläge zur Zerschlagung dieser Gruppierungen zu machen.
Als Ersten traf es Peter B., 37, Vizepräsident des Bandidos MC Neumünster, Ex-NPD-Funktionär und polizeibekanntes Mitglied der militanten Neonaziszene Norddeutschlands. Die Polizei warf ihm vor, an einer Messerattacke gegen einen Red Devil beteiligt gewesen zu sein, und ließ ein schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando frühmorgens am 27. April 2010 in seine Wohnung eindringen und ihn noch in seinem Bett festnehmen.
Um sieben Uhr morgens am 29. April 2010 folgte der zweite Schlag. 300 Polizeibeamte und ein Spezialeinsatzkommando rückten aus, um das Angels-Charter Flensburg und das Bandidos-Chapter in Neumünster einer Razzia zu unterziehen. Gegen beide Clubs hatte der Innenminister Klaus Schlie für den gleichen Tag eine Verbotsverfügung erlassen. Mit der groß angelegten morgendlichen Durchsuchungsaktion und dem Einzug von sämtlichem Vereinsvermögen, darunter die Guthaben von 28 Bankkonten, setzten die Polizeibehörden das Vereinsverbot mit sofortiger Wirkung durch. Durchsucht wurden zehn Wohnungen von Club-Mitgliedern und die beiden Clubhäuser. Die Polizeibeamten beschlagnahmten diverse Hieb- und Stichwaffen sowie zwei Pistolenmagazine und 50 Schuss Munition. Auch die Kutten der polizeilich bekannten zwölf Hells Angels und 17 Bandidos wurden den verblüfften Rockern bei der Übergabe der Verbotsverfügung von der Polizei abgenommen. Der Deathhead und der Fat Mexican wanderten in die Asservatenkammer.
Weil die Flensburger Hells Angels gegen die Verbotsverfügung klagten, kam es im Juni 2012 zur juristischen Klärung der Rockeraktivitäten in Norddeutschland. Erst jetzt stellte sich heraus, wie kontraproduktiv der Autobahnangriff des Flensburger Angels-Chefs Stefan R. auf den Bandido Thomas K. knapp drei Jahre zuvor gewesen war.
Allein diese Straftat des Charter-Präsidenten reichte dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig aus, das ausgesprochene Vereinsverbot gegen den Hells Angels MC Flensburg letztinstanzlich, im Juni 2012, zu bestätigen. Ein persönliches Motiv für die Tat sei nicht erkennbar, somit sei der Angriff als Vereinsaktivität zu werten, so das Gericht. Die Straftaten der
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