Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
2008 die dominante Stellung des Hannoveraner Charters und erweiterte den Machtbereich seines Präsidenten Frank Hanebuth gen Westen. Die beiden mächtigsten Blöcke der OMCGs in Deutschland, ja sogar europaweit, und ihre beiden über die A2 verbundenen Frontstädte – Bielefeld und Hamm, wo ein Chapter der Bandidos sitzt – trennten jetzt keine 80 Kilometer mehr.
Am 4. Oktober 2008 kam das Hells-Angels-Charter Cologne neu dazu, sodass nun auch die südliche Seite des Ruhrgebiets mit einem Charter besetzt war. Die Kölner Member zogen durch ihr sehr aggressives und gewalttätiges Auftreten von Beginn an eine Vielzahl von polizeilichen Ermittlungen und Maßnahmen auf sich. Es folgten am 14. Juli 2011 weitere Charter in Leverkusen sowie Krefeld und Düren auf der Westseite des Ruhrgebiets. Am 8. August 2011 unternahm man dann einen nächsten Schritt in das Gebiet der Bandidos, das Hells-Angels-Charter West County begann in Nordhorn, im Norden des Potts, seine Aktivitäten. Die Gründung erfolgte fast zeitgleich mit jener des neuen Bandidos-Chapters im münsterländischen Steinfurt, nur 40 Kilometer von Nordhorn entfernt
Die Rocker- und Clubdichte im und um das Ruhrgebiet nahm bedenkliche Ausmaße an, was eine friedliche Koexistenz beider Gruppierungen unmöglich erscheinen ließ. Die Mitglieder beider Clubs standen sich buchstäblich auf den Füßen und kämpften zum Teil als Türsteher, Wirtschafter, Zuhälter und Bordell- und Barbesitzer um die gleichen Profite in der Security- und Rotlichtszene. Der Hells Angels MC war in Deutschland zu dominant und zu machtbesessen, um den größten Ballungsraum der Nation einfach seinem Rivalen zu überlassen. Die Lage im Ruhrgebiet spitzte sich zu.
Am 8. Oktober 2009 fuhr der 31-jährige türkischstämmige Kampfsportprofi Timur »Timo« A., ein Mitglied des Hells-Angels-Charters Midland in Solingen, in seinem schneeweißen Mercedes CLK ins Duisburger Rotlichtviertel. Dort stoppte er an einer roten Ampel direkt vor dem Clubhaus des Bandidos MC. Das Vordringen des Hells Angels in Feindesland blieb nicht lange unentdeckt. Rudi Heinz »Eschli« E., 32, Mitglied des Bandidos MC Recklinghausen und ein Ex-Hooligan, Türsteher, Geldeintreiber, Zuhälter und Bordellbesitzer, erkannte ihn sofort. Die beiden im Rocker- und Rotlichtmilieu aktiven Männer verband neben der Mitgliedschaft in rivalisierenden Clubs seit Langem auch eine erbitterte Feindschaft. Jetzt erhielt diese zusätzliche Nahrung, denn Eschli soll Timo die Freundin ausgespannt haben. Andere Quellen bezeichnen die Frau als Prostituierte, die zuerst für den Hells Angel anschaffte und seit Neuestem für den Bandido auf den Strich ging. Diese Umstände bildeten eine tödliche Mixtur.
Kaum hat er dessen Eintreffen bemerkt, stürmt der Bandido aus dem »Fat Mexican« zum Mercedes des Angels. Eschli unterstreicht sein bedrohliches Verhalten mit der Aufforderung: »Komm raus, du Sau!« Darauf zieht Timur A. eine scharfe Pistole, die Eschli jedoch nicht abschreckt, sondern seine Aggressivität nur noch steigert: »Na, komm! Mach! Schieß doch! Komm raus!«
Das sind die letzten überlieferten Worte des Bandidos. Timo verlässt seinen Wagen und eröffnet das Feuer. Vier Schüsse hallen durch die Duisburger Amüsiermeile und Eschli sinkt mit einem Kopftreffer zu Boden. Ein Projektil schlägt hinter dem linken Ohr ein und löst eine starke Blutung aus. Eine 22-jährige Augenzeugin und ihr 29 Jahre alter Freund, ein Krankentransportfahrer, sowie weitere Anwesende versuchen noch, erste Hilfe zu leisten und die Wunde abzudrücken. Doch schnell stellen sie fest, dass ihre Bemühungen vergebens sind. »Überall lief Blut heraus – aus dem Mund und aus der Nase«, so die junge Frau in einer späteren Aussage.
Eschli war Mitglied der städtischen Hooligantruppe von Schalke 04, der sogenannten Gelsen-Szene. Diese stand in dem Ruf, am Höhepunkt der deutschen Hooliganbewegung in den 80er- und 90er-Jahren eine der schlagkräftigsten Gruppen gewesen zu sein. Über die Gelsen-Szene soll Eschli auch den ersten Kontakt zu den Bandidos bekommen haben.
Die Polizei sperrte den Tatort ab und sicherte unter den fassungslosen Blicken der herbeiströmenden Bandidos die vorhandenen Spuren. Später legten Bandidos erste Kränze für ihren ermordeten Bruder nieder.
Die Polizei bestätigte schnell, dass das Motiv des Mordes an dem Bandido und ehemaligen deutschen Hooligan in der Tat die Freundin gewesen war, die Eschli dem türkischen
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