Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Sie durchsuchten 80 Lokale, Bordelle und Wohnungen in und um die Stadt – darunter auch das »Angels Place« auf der Sternschanze – und verhafteten 24 Mitglieder. Die polizeiliche Aktion reichte sogar bis in die Schweiz und zog dort 14 Durchsuchungen und sechs weitere Festnahmen nach sich.
Das folgende Gerichtsverfahren, bei dem auch etliche hochrangige Mitglieder beschuldigt wurden, bezog sich auf den Totschlag in Sylt ebenso wie auf die andauernden Schutzgelderpressungen. Es dauerte bis zum Jahr 1986, bis ein Deal zwischen der Justiz und den 28 Rechtsanwälten der Gegenseite das Mammutverfahren plötzlich beendete. Ergebnis: 13 relativ milde Schuldsprüche mit Haftstrafen von sechs Monaten auf Bewährung bis zu sieben Jahren Gefängnis.
Für ein Verbot der Gruppe nach § 129 Strafgesetzbuch (»Bildung einer kriminellen Vereinigung«) reichten die Beweise laut Gericht nicht aus. Da das Hamburger Charter jedoch als eingetragener Verein registriert war, sprachen die Behörden ein Verbot gemäß dem Vereinsgesetz aus. Das Verbot wurde 1988 höchstrichterlich vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt und hat nach wie vor Bestand. Es bezieht sich aber allein auf das Tragen des Color der Hells Angels, des Deathhead und des Namenszugs »Hells Angels Hamburg«, da die Hamburger Hells Angels unter diesem Namen und durch Tragen des entsprechenden Symbols Angst und Schrecken verbreitet hatten, so die Begründung. Neugründungen anderer Charter oder das Verbot sämtlicher Aktivitäten der ehemaligen Mitglieder in Hamburg konnten mit diesem abgeschwächten Urteil jedoch nicht durchgesetzt werden.
Einen Großteil der Hamburger Gruppe zog es dennoch sicherheitshalber in andere Bundesländer. Sie verteilten sich auf verschiedene Charter im ganzen Bundesgebiet. So war der heute als bundesweiter Pressesprecher auftretende Rudolf »Django« T. beispielsweise ein Mitglied des ersten Hamburger Charters und ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge vorbestraft. Danach bekleidete er jahrelang als Offizier im Bremer Charter West Side das Amt des Vizepräsidenten.
Aus Respekt und Solidarität unter Bikern wird das bestehende Color-Verbot von allen Clubs beachtet. Bis heute fährt in Hamburg kein MC mit seinen Patches durch die Straßen. Selbst verfeindete Gruppierungen wie die Bandidos, die Outlaws und der Gremium MC halten sich an diesen Ehrenkodex unter Rockern.
Hamburger Hells Angels im Untergrund
Seit dem 5. Februar 2005 ist in der Hansestadt wieder ein Hells Angels Charter offiziell unter dem Namen Harbour City aktiv. Den geflügelten Totenkopf tragen sie infolge der gerichtlichen Verfügung jedoch nicht auf ihrer Kutte. Noch nicht.
Obwohl das Tragen des Deathhead in Hamburg untersagt ist, sind die Hells Angels ein dominierender Machtfaktor im Rotlichtmilieu von Deutschlands zweitgrößter Stadt mit 1,8 Millionen Einwohnern geblieben. Sie verfügen über Kneipen in Billstedt und Rotherbaum und kontrollieren nach wie vor den Straßenstrich Hammerbrook und Bordelle auf der Reeperbahn, darunter einen der größten Puffs auf dem Kiez, das »Eros Laufhaus«. Auch die Läden am Hans-Albers-Platz sollen unter ihrem Einfluss stehen.
Hamburger Polizeiermittler schätzen den Verdienst der Höllenengel in Hamburg hauptsächlich aus Prostitutionsgewinnen und dem Kokainhandel auf 75 000 Euro – pro Tag. Bei ihren Observationen konnten sie auch mitansehen, wie Hamburger Höllenengel einen ihrer Brüder jüngst zum Antritt seiner Gefängnisstrafe geleiteten; nicht etwa auf dem Sitz einer Harley-Davidson, sondern bequem im Bentley, einem Wagen im Wert von rund 200 000 Euro.
Auch in der aktuellen Diskussion, in der Innenminister Charter-Verbote als Allheilmittel gegen die Rockerkriminalität anpreisen, lohnt sich ein Blick auf die Hamburger Verhältnisse. Man muss berücksichtigen, dass dort nur ein juristisch schwaches Verbot ausgesprochen wurde. Dieses erwies sich allerdings als nahezu wirkungslos gegen die kriminellen Geschäfte der Rocker. Trotz eines Verbots, das seit 26 Jahren Bestand hat, ließ sich Frank Hanebuth von der Bild -Zeitung mit folgenden Worten zitieren: »Wir haben in Hamburg seit Jahrzehnten die Vorherrschaft, sehr großen Einfluss.« Dies lässt folgendes Fazit zu: Man kann das Tragen von Club-Emblemen gerichtlich verbieten, die kriminelle Energie ihres Trägers aber nicht.
Lutz S. und der Hells Angels MC Stuttgart
Das Stuttgarter Charter wurde am 4. Dezember 1981 in die internationale Bruderschaft aufgenommen. Es
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