Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Stellvertreterkrieg um Machtansprüche, die ganz Europa betrafen, nun ruhte, lag nicht an der Einsicht oder erloschenen Kampfeslust einer der Parteien, sondern war einzig und allein dem öffentlichen, polizeilichen und politischen Druck geschuldet.
Den überlebenden Bikern war bewusst, dass dieser Krieg noch lange nicht vorüber war. Zu viele Rechnungen waren nicht beglichen und die Klärung der entscheidenden Frage – Wem gehört Europa? – lediglich vertagt worden.
Während die Hells Angels 1997 bereits in über einem Dutzend europäischer Länder erfolgreich agierten (neben den skandinavischen Staaten auch in der Schweiz, Österreich, Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und Deutschland), klafften dort auf der Bandidos-Weltkarte große weiße Flecken. Würde dies so bleiben? Und wenn nicht, wie würden die Höllenengel auf eine weitere Expansion reagieren? Beobachter, die glaubten, die Bandidos hätten sich in Skandinavien eine blutige Nase geholt und würden deswegen den Rest Europas kampflos den Hells Angels überlassen, hatten sich jedenfalls geirrt, wie sich bald herausstellte.
Der Kampf geht weiter
Die Zurückhaltung in Skandinavien endete, als beide Gruppierungen wieder den alten Expansionskurs und die Rückkehr zu kriminellen Geschäften forcierten. Es folgten mehrere spektakuläre Festnahmen und Verurteilungen wegen Drogenhandels. Eine der jüngsten polizeilichen Aktionen richtete sich gegen einen 37-jährigen Bandido des Chapters Roskilde. Die Beamten observierten ihn am 3. Juli 2012 bei einer Drogenübergabe durch einen niederländischen Lkw-Fahrer. Ebenfalls anwesend waren seine 24-jährige Freundin und ein 34-jähriger Beifahrer. Die Polizei beschlagnahmte bei der Aktion 40 Kilogramm Speed. Solch große Mengen haben nach den Strafverschärfungen durch das Rockergesetz in vergleichbaren Fällen zwöl fj ährige Haftstrafen nach sich gezogen.
Der Drogenhandel wird nach Erkenntnissen der Behörden im gesamten nordeuropäischen Raum bis heute von Mitgliedern beider Clubs beherrscht. Eben diese Geschäfte dürften einen entscheidenden Ausschlag dafür gegeben haben, dass die Auseinandersetzungen wieder entbrannten.
Etwas mehr als zwei Jahre nach dem öffentlichen Friedensschluss, am 18. Januar 2000, wurden der Präsident des Bandidos MC Finland, sein Leibwächter und der Vizepräsident eines Bandidos-Supporter-Clubs in einem Restaurant während des Essens erschossen. Die Finnen waren Mordopfer 25, 26 und 27 in diesem nicht enden wollenden Krieg. Die vier Täter wurden gefasst. Es waren Mitglieder des Cannonball MC, die in engem Kontakt zu den Hells Angels standen. Ihr Auftrag war offenbar gewesen, einen erfolglosen Anschlag von Bandidos auf ein Member der Cannonballs zu rächen.
Ein wenig trügerische Ruhe brachte das rigorose Vorgehen besonders des dänischen Staats gegen organisierte Rocker ab 2003. Im Kampf gegen die Clubs berief man sich auf knallharte Fakten. So besagen Untersuchungen, dass von 196 erfassten Hells-Angels-Mitgliedern 193 straffällig wurden und insgesamt beinahe 2000 Straftaten begingen. In den Reihen der Bandidos sieht es ähnlich aus: Von 236 bekannten Mitgliedern sind 230 im Strafregister der Behörden registriert. 60 Prozent aller polizeilich bekannten Bandidos saßen nach Auskunft der dänischen Behörden im Oktober 2008 in Gefängnissen zum Teil langjährige Haftstrafen ab.
Inmitten der trügerischen Ruhe begannen die Biker, sich neu zu organisieren und ihre Rekrutierungsweise zu professionalisieren. Anfang des Jahres 2010 schockten die dänischen Hells Angels die überraschte Öffentlichkeit mit einer neuen Art von »Sozialarbeit«: Sie riefen eine Jugendgruppe mit martialischen Insignien namens Viking Defence League ins Leben. Der dänische Hells-Angels-Sprecher und rechtskräftig verurteilte Mörder Jörn Nielsen begründete die neue Gruppe damit, dass der Club eine Option für interessierte Jugendliche anbieten wolle, da man den Hells Angels selbst wie auch dem Supporter-Club AK 81 erst ab einem Alter von 18 Jahren beitreten könne. The Copenhagen Post betitelte den neuen Verein entsetzt als »Hells Angels Kids Club«. Der Polizeisprecher und der dänische Justizminister reagierten empört und brandmarkten das Vorgehen als »Riesen-Provokation gegenüber dem Rest der Gesellschaft«.
Aktueller Ausblick – Bandenkriege in skandinavischen Großstädten
Seit 2008 herrscht in Kopenhagen ein neuer, bis heute schwelender Krieg mit
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