Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
vollständig niederbrannte. Das Clubhaus eines Supporter-Clubs in Aalborg, Dänemark, wurde ebenfalls durch eine Panzerabwehrrakete verwüstet.
Die Gewalt eskalierte. Skrupel, Hemmungen oder Rücksichtnahmen hatten beide Kriegsparteien schon seit Längerem völlig abgelegt und schließlich erreichte der Krieg auch die sich stetig mit Bikern füllenden Staatsgefängnisse. Am 26. April 1996 wurde eine Handgranate in die Zelle eines inhaftierten Bandidos in der Haftanstalt Horseröd in Dänemark geschleudert; er überlebte schwer verletzt. Schon vorher war, wie erwähnt, Jönke Nielsen Opfer eines Anschlags hinter Gefängnismauern geworden. Dass Gewaltexzesse auch in skandinavischen Haftanstalten vorkamen, lag zum Teil an dem in Dänemark besonders hoch geschätzten Resozialisierungsgedanken im Hinblick auf Gefängnisstrafen. In den Genuss eines offenen Strafvollzugs mit regelmäßigen Freigängen an Wochenenden und auf Antrag auch bei zusätzlichen besonderen Anlässen kamen auch rechtskräftig verurteilte Mörder wie Jönke Nielsen. Lasche Sicherheitskontrollen und eine hohe Freizügigkeit im Knast spielten den bestens durchorganisierten Bikernetzwerken in die Hände.
Die nächsten Handgranaten flogen in das Haus eines Kopenhagener Hells Angels, dann explodierten welche in Finnland, doch wurde diesmal der Angreifer verletzt, weil die Granate zu früh hochging. In Dänemark konnte eine Autobombe gerade noch rechtzeitig entschärft werden. In Norwegen wurde im Sommer 1996 ein Prospect der Bandidos erschossen, kurz danach ein Supporter der Angels.
Weitere Bomben, weitere Schießereien bestimmten die folgenden Wochen in Skandinavien. Schusswaffen, Handgranaten, Autobomben und Panzerabwehrraketen wurden mit einer solchen Skrupellosigkeit und Brutalität eingesetzt, dass es der Öffentlichkeit und der Polizei schlicht die Sprache verschlug.
Der Präsident der europäischen Bandidos und Gründer des ersten skandinavischen Bandidos-Chapters in Kopenhagen, Jim Tinndahn, besaß die Chuzpe, die Polizei via Interview aufzufordern, sich aus dem Krieg herauszuhalten: »Wenn die Polizei so weitermacht, gibt es noch mehr Gewalt auf den Straßen.«
Als der Herbst begann, hatten die Exzesse ihren Gipfel allerdings noch nicht erreicht. Als Beispiel für die Wucht der Auseinandersetzung zwischen Angels und Bandidos seien die folgenden im September 1996 begangenen Taten aufgeführt, von denen die Polizei Kenntnis erlangte:
4. September: Ein Autobombenanschlag gegen den Hells-Angels-Supporter-Club MC Denmark scheitert.
12. September: Vor dem Clubhaus der Hells Angels South Denmark ereignet sich eine Autobombenexplosion.
22. September: Das gleiche Clubhaus gerät unter schweres Maschinengewehrfeuer.
24. September: Erneut wird das Clubhaus der Angels in Helsingborg beschossen, dieses Mal fliegt eine Panzerabwehrrakete.
28. September: Dasselbe Haus wird nochmals mit einer Rakete beschossen.
Außerdem werden bei einem Bombenattentat auf das Vereinsheim der Hells Angels am 3. Oktober in Malmö zwölf Nachbarn verletzt.
Und dann feierten die Hells Angels das traditionelle Wikingerfest.
Das Wikingerfest mit Besuch von Carl Gustaf
»Wir geben unsere jährliche Wikinger-Party. Wenn die Musik zu laut werden sollte, hoffen wir trotzdem auf Ihr Verständnis. Ansonsten sind Sie herzlich willkommen.
Mit freundlichen Grüßen, Hells Angels. «
Die Kopenhagener Höllenengel bemühten sich offensichtlich, nette Nachbarn zu sein, auch wenn sie ihr dänisches Hauptquartier festungsähnlich ausgebaut hatten. Der fünf Häuser umfassende Gebäudekomplex wurde von einem drei Meter hohen Holzzaun geschützt. Auf dem Dach dieser Bastion im Stadtteil Nörrebro schwang ein Wikinger martialisch einen Speer.
Nörrebro gilt als das Kreuzberg Dänemarks, ein angesagtes Multikultiviertel mit islamischem Zentrum, Kleingewerbe und sozialem Siedlungsbau. Zu dieser Zeit residierten die Hells Angels auf dem kommunalen Grundstück noch mietfrei, da sie, wie jeder andere Motorradclub in Dänemark, als »die Jugend fördernder« Verein vom Staat alimentiert wurden. In den Genuss dieser staatlichen Förderung kamen Zusammenschlüsse von mindestens fünf Personen, die ein Hobby oder Engagement im selben Interessengebiet einte. Diese Unterstützung nahmen trotz Mord, Totschlag und umfangreicher krimineller Aktivitäten auch dänische Einprozenter-Clubs gerne für sich in Anspruch.
Die Anwohner in der unmittelbaren Umgebung des Clubhauses erhielten die oben zitierte
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