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Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Titel: Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schubert
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Nachricht einen Tag vor dem Wikingerfest. Am Abend des 6. Oktobers 1996 bildeten 30 Polizisten einen Schutzring um das »Angels Place«, um die Nachbarschaft und die feiernden Hells Angels vor Gewalttaten zu schützen. Insbesondere ein Besucher sollte unter allen Umständen ferngehalten werden – Carl Gustaf.
    Die »FFV Carl Gustaf« ist eine tragbare Panzerabwehrwaffe aus der Produktion des schwedischen Rüstungskonzerns Saab Bofors Dynamics. Die Panzerbüchse des Kalibers 84 mm verschießt 3-Kilogramm-Granaten mit einer Feuergeschwindigkeit von 260 Metern pro Sekunde und ist für Ziele bis zu einer Entfernung von 700 Metern konzipiert.
    Der Bandidos-Prospect Niels Poulsen ist sich seines Himmelfahrtskommandos bewusst, als er nachts schwer bewaffnet im feindlichen Gebiet unterwegs ist. Überall muss er mit bewaffneten Posten rechnen, ob Polizisten oder Männer jenes Clubs, dessen Namen auch nur auszusprechen er sich weigert. Seine Vorbereitungen hat er schon vor Tagen abgeschlossen, die Waffe hielt er seitdem sicher und einsatzbereit versteckt. Heute trägt er keine Kutte, denn die hätte ihn sofort als Feind erkennbar gemacht, sondern dunkle, unauffällige Zivilkleidung.
    Seinen Fluchtweg hat er penibel ausgearbeitet und selbst eine Ausweichroute ist einkalkuliert, falls der direkte Weg versperrt sein sollte. Trotz all dem rechnet er mit dem Schlimmsten und geht davon aus, dass seine Chance, die nächste Stunde lebend zu überstehen, bei 50 : 50 steht. Vielleicht auch schlechter.
    Gegen 3.00 Uhr nachts erreicht Niels robbend seine Stellung. Den Umgang mit der Panzerabwehrrakete hat er stundenlang trainiert. Es bereitet ihm keine Schwierigkeiten, die Waffe mit verbundenen Augen oder in stockdunkler Nacht, so wie jetzt, zu bedienen und zu laden. Eine letzte Anstrengung und er befindet sich auf dem Dach einer Garage. Dort bleibt er noch einige Minuten im Schutze der Dunkelheit liegen, versucht, seinen Herzschlag zu beruhigen und die Atmung zu kontrollieren. Der laue Herbstwind – es ist warm für einen dänischen Oktober – trägt fröhlichen Partylärm zu ihm herüber, gelegentlich unterbrochen von einem Krächzen aus den Funkgeräten der patrouillierenden Polizisten.
    Der Prospect der Bandido Nation atmet das letzte Mal tief ein, kniet sich hin, presst die Panzerabwehrrakete gegen die Schulter und visiert das nur 100 Meter entfernte Ziel an. Um 3.06 Uhr feuert er die Panzersprenggranate ab.
    Der Rückstoß ist bei diesem Modell, das einen großen Teil des Treibgases hinten aus der Waffe ausstößt und sie dadurch stabilisiert, gering, aber die ohrenbetäubende Zündung der Rakete, das Mündungsfeuer, der Feuerschweif des Geschosses und schließlich die Explosion durchbrechen in einer infernalischen Kettenreaktion die Nacht.
    Die Granate findet ihr Ziel. Sie durchschlägt die Seitenwand des Clubhauses und explodiert mit ohrenbetäubendem Lärm inmitten der Feiernden. Ein Angel und eine junge Frau, Linde Nielsen, sterben sofort. 17 weitere Menschen werden verletzt, einige von ihnen schwer.
    Der Prospect rennt derweil um sein Leben. Er benutzt den ausbaldowerten Fluchtweg, und lediglich ein Anwohner bemerkt ihn, bevor das tiefe Dunkel eines Kinderspielplatzes den Mann verschluckt. Niels Poulsen entkommt, zunächst.
    Das Medienecho auf diesen Anschlag übertraf die bisherige Berichterstattung. Selbst deutsche Zeitungen berichteten ausführlich. Der stellvertretende Polizeipräsident Kopenhagens sah sich gezwungen, sich bei der geschockten dänischen Öffentlichkeit und den Anwohnern zu entschuldigen, denen er noch einen Tag zuvor versprochen hatte, dass sie beruhigt ins Bett gehen könnten.
    Die verängstigte Bevölkerung und die Presse drängten die Politiker zum Handeln. Nur einen Monat nach dem Anschlag, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hatte, peitschten die Abgeordneten des Folketing – des dänischen Parlaments – das sogenannte Rockergesetz durch die Instanzen. Dies in einem Land, das mit großem Stolz auf seine liberale Grundhaltung blickt. Nach der Unterschrift der Königin erlangte der Gesetzentwurf innerhalb der folgenden Woche Geltung. Das Gesetz wirkt wie der Vorläufer des 1997 verabschiedeten kanadischen Rockergesetzes C-95. Die neuen Vorgaben beinhalteten eine drastische Strafverschärfung für eine Reihe von Verbrechen und statteten die Polizei mit einer Vielzahl von zusätzlichen Befugnissen aus, auch wenn Undercover-Aktionen gegen kriminelle Bikergangs trotz ihrer großen

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